Wuppertal Wenn der Nachbar mutmaßlicher Chef einer Schleuserbande ist

In Wuppertal fasst die Bundespolizei den Hauptverdächtigen (48) der Bande. Beschuldigte leisten keinen Widerstand.

Bundespolizisten vor der Wohnung des Hauptverdächtigen.

Bundespolizisten vor der Wohnung des Hauptverdächtigen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Wuppertal. Der junge Mann schaut ungläubig. „Mein Nachbar Chef einer Schleuserbande? Das hätte ich nie gedacht.“ Ein paar Minuten zuvor hat er aus dem Fenster beobachten können, wie Bundespolizisten einen 48-jährigen Mann aus dem Nebenhaus abgeführt haben. Unsicher wirkt dieser und schmächtig zwischen den beiden Beamten. Der schwerwiegende Vorwurf der Staatsanwaltschaft Wuppertal: Der Deutsch-Libanese soll mit seinen Helfern illegal 250 Menschen über die Balkanroute nach Deutschland geschleust haben.

„Straff organisiert“ habe die Bande agiert, erklärt Jens Flören, Sprecher der Bundespolizeidirektion St. Augustin. „Ein Netzwerk, fast professionell. Aber das will ich eigentlich nicht sagen, weil es zu positiv klingt.“ Der 48-Jährige sei der Chef-Organisator gewesen. In seiner Wohnung im Wuppertaler Stadtteil Vohwinkel seien die Fäden zusammengelaufen. 800 bis 1500 Euro mussten die Geschleusten, vornehmlich aus Syrien, zahlen, damit das Netzwerk sie über die Balkanroute nach Deutschland bringt. „Dann hat man sie einfach hinter der Grenze irgendwo ’rausgelassen und ihrem Schicksal überlassen“, erklärt Flören. Einer der Helfer sei zum Beispiel dafür zuständig gewesen, Fahrzeuge anzumieten und zu beschaffen.

Einsatz gegen Schleuserbande in Wuppertal
14 Bilder

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Auch in Wohnmobilen seien die Menschen transportiert worden. „Einmal sogar 15 Personen in einem Fahrzeug“, erklärt Armin Roggon von der Bundespolizeiinspektion Düsseldorf. Mehr als 50 Schleusungen seien nachgewiesen, hieß es am Dienstag. Wie die Fahnder auf den 48-Jährigen und seine Helfer kamen, dazu wollte sich die Polizei am Dienstag nicht äußern. Fakt ist aber: Seit Sommer vergangenen Jahres liefen die Ermittlungen.

In Vohwinkel sorgte das massive Polizeiaufgebot am Dienstag für Aufsehen. Mehr als eine Stunde hatten die Beamten die Wohnung des 48-Jährigen durchsucht. Mehrere Dienstfahrzeuge säumten währenddessen die Straße. Kinder auf dem Weg zur Schule schauten neugierig, Nachbarn tuschelten. Ein Mann, der vom Brötchenholen nach Hause kam, staunte nur. „Was ist denn hier los?“ Mitbekommen habe er nichts.

Die Einsätze seien aber auch ohne große Gegenwehr abgelaufen, betont Roggon. „Die Verdächtigen waren zu konsterniert, zu überrascht.“ Ein Zeichen für die erfolgreichen verdeckten Ermittlungen, so Roggon. Auch der mutmaßliche Haupttäter habe sich nicht gewehrt. Dabei hatte die Bundespolizei offenbar eigens Spezialkräfte der GSG dabei, weil einige der Verdächtigen als gewaltbereit galten.

„Bei den Durchsuchungen haben wir aber keine Waffen gefunden“, bestätigt Roggon. Dafür wurden aber Laptops, Handys und USB-Sticks sicher gestellt — sowie rund 10.000 Euro in bar. Zudem hatten die Schleuser auch eine Reihe gefälschter Papiere, etwa KFZ-Briefe und bulgarische Passunterlagen.

„Es galt für uns, die Schleuserstrukturen zu zerschlagen. Das ist gelungen“, erklärte Flören in einer ersten Bilanz. Die Ermittlungen laufen weiter.

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