Wenn alle Stricke reißen: Ein Festschmaus von der Tanke

Letzter Ausweg Tankstelle — mit 20 Euro und etwas Geschick entsteht ein Drei-Gänge-Menü.

Wuppertal. Es ist der Super-Gau zu Weihnachten: Abends kommen Gäste und in der Küche läuft alles schief. Die Kartoffeln sind verkocht, das Gemüse reicht nicht aus, und die Gans im Ofen ist nicht mehr als ein schwarzes Häufchen Elend. Was nun? Die Supermärkte haben geschlossen, nur an der Tanke brennt noch Licht.

Die WZ hat zu Weihnachten den Test gemacht: Kann man mit den Zutaten aus dem Tankstellen-Shop ein echtes Drei-Gänge-Menü für vier Personen zaubern? Zwei Koch-Profis haben sich der Aufgabe gestellt. Milan Music (33) und Daniel Kotthaus (25) von der Wuppertaler Kornmühle haben zwischen Scheibenwischerblättern und Erotik-Magazinen die richtigen Zutaten für ein vollwertiges Mahl gefunden — für weniger als 20 Euro.

Daniel Kotthaus, Koch.

Eine Tankstelle, zwei Köche, skeptische Blicke. Nachdem sich Music und Kotthaus orientiert haben, greifen sie zielsicher in die Regale. In ihrem Körbchen landen unter anderem Mehl, Gouda-Käse, Eier und Rotkohl. Aus Letzterem soll eine Rotkohl-Suppe entstehen. Daniel Kotthaus findet nur keinen Apfelsaft. Ist nicht im Sortiment, nur Apfelschorle. „Ist wurscht, oder?“, fragt er seinen Kollegen und hat die 0,5-Liter-Plastikflasche auch schon verstaut.

Das nächste Problem tut sich am Weinregal auf. Ein guter Schuss vom „Roten“ gehört eigentlich in die Rotkohl-Suppe. Außerdem ist zum Nachtisch eine Frischkäse-Keks-Creme geplant, die mit einer Wein-Zabaglione verfeinert werden soll. Doch die Köche wollen den Preisrahmen nicht sprengen. Schließlich greift Music nach einer Flasche Glühwein mit dem verträumten Namen „Wintermärchen“ für 3,19 Euro. Praktisch: Da sind auch schon weihnachtliche Gewürze drin.

Als das Budget schon ziemlich erschöpft scheint, fehlt leider noch die Sahne für die Suppe. Doch Daniel Kotthaus kennt die Lösung: „Da muss man nur den Tankwart ein wenig bezirzen, dann geht das.“ Sagt es und greift sich vom Bistro-Stehtisch eine Handvoll Kaffeesahne-Döschen. Der Mann an der Kasse nickt die Aktion wohlwollend ab. Dann folgt der entscheidende Moment: Was kostet das Ganze? Elf Produkte scannt der Kassierer, und die Digitalanzeige sagt: 19,65 Euro. „Da soll noch mal jemand sagen, wir sind teuer“, sagt er.

In der Küche der Kornmühle geht es zunächst an die Hauptspeise. Es soll selbstgemachte Käse-Zwiebel-Spätzle geben, und dafür muss erst einmal ein Teig gefertigt werden. Beim Thema Zwiebeln sei noch erklärt: Bei unserem Test gehen wir davon aus, dass grundlegende Zutaten vorhanden sind. Salz, Pfeffer, Zwiebeln, Öl und Butter sollten greifbar sein. Wenn nicht, hilft sicherlich der freundliche Nachbar.

Der Teig für die Spätzle ist schnell gemacht. Milch, Eier, Mehl, Salz, Pfeffer, einen Schuss Wasser und — wenn vorhanden — etwas Muskat verrührt Milan Music zu einem Teig. Das kann anstrengend werden. „Der Teig ist gut, sobald er Blasen schlägt“, verrät der Koch und greift wieder kraftvoll in den Topf.

Während die Spätzle in spe 15 Minuten Ruhe brauchen, geht es an die Rotkohl-Suppe. Ein würziger Duft wabert durch die Küche, als Daniel Kotthaus den Glühwein in eine kochende Mischung aus Zwiebeln, Rotkohl, Apfelschorle und Kaffeesahne gießt. Wer eine gut sortierte Küche besitzt, kann das Ganze noch verfeinern. Der Koch rät: „Einfach eine Zimtstange und einen Anis-Stern in einen Teebeutel geben und mit dazu tun.“ Wichtig: Bevor das Gemisch im Mixer zu einer echten Suppe wird, sollte der Beutel wieder herausgefischt werden, sonst ist das Weihnachtsessen doch noch ruiniert.

Der Rest ist für die Profis ein Kinderspiel: Die Spätzle baden erst in kochendem, dann in kaltem Wasser und werden anschließend zusammen mit dem Gouda-Käse in die Pfanne gegeben, bevor sie mit den Zwiebeln vereint werden. Und die Cookies und der Frischkäse? Die gehen eine schmackhafte Symbiose ein. Music dichtet: „Das kann man jetzt auch Cookie-Frischkäse-Traum nennen.“

Am Ende erinnert bei diesem Menü optisch nichts mehr an seine Herkunft. Und auch geschmacklich haben die Köche alles aus den Zutaten rausgeholt. Die Rotkohlsuppe ist weihnachtlich-würzig, den leckeren Käse-Spätzle merkt man an, dass sie selbstgemacht sind und der Keks-Traum mit Glühwein-Zabaglione ist die süße Krönung des Ganzen. Am Ende ist noch genug Glühwein übrig, um die Gäste ein wenig bei Laune zu halten. Die mussten unter Umständen ein wenig warten. Von der Tankstelle zum Traum-Menü — das geht leider nicht in einer halben Stunde. Aber es geht.

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