Campus Wuppertal Wenn Ärger mit der Familie dem Bafög im Weg steht

Wuppertal · Ein 26-jähriger Wuppertaler will studieren und dafür Förderung beantragen. Dazu braucht er Kontakt zum Vater - den hat er aber nie gehabt.

 Wer wegen seiner familiären Situation Probleme hat, Bafög zu beantragen, wird von der Uni unterstützt.

Wer wegen seiner familiären Situation Probleme hat, Bafög zu beantragen, wird von der Uni unterstützt.

Foto: picture alliance/dpa/Jan Woitas

Etwa fünf Jahre ist es her, dass ein 26-jähriger Mann zum ersten und einzigen Mal Kontakt zu seinem Vater hatte. „Es gab ein Telefonat zwischen uns beiden, in dem er mir erklärt hat, dass er zu mir nach Hause kommen und meiner Familie etwas antun werde, wenn ich ihn nicht in Ruhe lasse“, sagt der 26-Jährige, der deshalb seinen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte.

Doch nun braucht er den Kontakt zum Vater: Denn der 26-Jährige hat nach jahrelangem Jobben gerade sein Abitur nachgeholt, möchte in Wuppertal studieren und muss dafür nach eigenen Angaben Bafög beantragen, sonst könne er das Studium nicht finanzieren. Und für den Antrag brauche er ein vom Vater ausgefülltes Formular, in dem dieser seine Einkommensverhältnisse darlegt. „Es nimmt mich mit und tut weh, jetzt Kontakt zum Vater aufnehmen zu müssen“, sagt der 26-Jährige. Und er weiß noch nicht einmal, ob das gelingt: Denn ob die Adresse, die er in den Unterlagen der Mutter gefunden habe, noch aktuell sei, wüssten beide nicht.

Laut Hochschul-Sozialwerk ist der 26-Jährige mit seinem Problem nicht allein. Von den derzeit 3724 Wuppertaler Studierenden, die Bafög beziehen, hätten sich seit Oktober 38 gemeldet, die Mutter oder Vater nicht erreichen könnten oder wollten, im Jahr davor seien es 47 gewesen, sagt Sandra Bischoff, Abteilungsleiterin für Ausbildungsförderung beim Hochschul-Sozialwerk Wuppertal. Meist seien dies Scheidungskinder, sagt Fritz Berger, Geschäftsführer des Hochschul-Sozialwerks.

„Diese Studierenden können eine Vorausleistung beantragen“, sagt Sandra Bischoff. Dabei werde der Unterhaltsanspruch, den die Kinder eigentlich gegenüber ihren Eltern haben, auf das Bafög-Amt übertragen. „Damit will man den jungen Menschen die Möglichkeit geben, in Ruhe zu studieren, ohne familiär belastet zu sein“, erklärt Bischoff. Das Bafög-Amt frage dann zunächst beim Studierenden nach Kontaktdaten des Elternteils. Führe dies zu keinem Ergebnis, ermittele es die Daten eigenständig. Gebe es Probleme mit den Eltern, strebe das Amt zunächst eine außergerichtliche Klärung mit den Eltern an. In etwa zwei Fällen pro Jahr komme es aber sogar zu einer Zivilklage, um Unterhaltsansprüche durchzusetzen.

Der 26-Jährige hat es nun erst einmal auf eigene Faust probiert und an die bei seiner Mutter gefundene Adresse einen Brief an den Vater geschickt. Selbst wenn der Vater antworte: „Was ist, wenn er zu viel verdient?“, fragt sich der junge Mann. Dann müsse er sich irgendwie mit dem Vater einigen. Das sei aber nach Beantragung der Vorausleistung auch kein Problem, erklärt Sandra Bischoff. Denn möglicherweise zu viel gezahltes Geld werde einfach auf das Darlehen angerechnet und müsse dann erst bei der Rückzahlung erstattet werden.

Der 26-Jährige will nun erst einmal auf Antwort vom Vater warten, überlegt aber auch, die Vorausleistung zu beantragen. Und er glaubt daran, dass sich eine Lösung findet. Er hat bereits eine Wohnung in Wuppertal gemietet, sich fürs Studium eingeschrieben und hofft, dass er sein Studium in Wuppertal auch tatsächlich zum Sommersemester beginnen kann. Auch darüber, neben dem Studium zu jobben, habe er bereits nachgedacht. Zu viel Arbeit sei aber nicht möglich, weil sich sein vergleichsweise spät begonnenes Studium sonst lange hinziehen könnte, fürchtet er. Eine Lösung gegen derartige finanzielle Sorgen sieht der 26-Jährige übrigens in einem aktuell in der Politik diskutierten Konzept: „Mit einem bedingungsloses Grundeinkommen gäbe es solche Probleme nicht.“

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