Weihnachten vor 71 Jahren: „Wir waren froh, dass wir uns hatten“

Vor gut 70 Jahren feierten die Wuppertaler ein karges Fest. Lieselotte Schubert erinnert sich. Die WZ druckt dazu drei historische Zeitungsseiten nach.

Wuppertal. An diesem Heiligabend werfen wir einen besonderen Blick zurück — auf das Weihnachtsfest in Wuppertal vor gut 70 Jahren. Wir drucken in dieser Ausgabe drei Seiten aus dem „General-Anzeiger“ nach, der am 24. Dezember 1943 erschienen ist. Es war das erste Weihnachtsfest nach den Bombennächten in Barmen und Elberfeld im Sommer 1943, bei denen tausende Menschen starben und noch mehr obdachlos wurden. Nach diesen beiden Nächten im Mai und Juni veränderte sich das Stadtbild für immer.

Lieselotte Schubert (89) hat die Bomben auf Elberfeld als 17-Jährige überlebt und erinnert sich heute daran, dass man an den Weihnachtstagen versuchte, die Kriegsrealität zu verdrängen. „Wir versuchten es uns schön zu machen mit dem, was wir hatten.“ Ihre Eltern und sie kamen 1943 zunächst bei Verwandten unter. „Es gab Plätzchen, Kuchen, einen Kartoffelsalat, vielleicht auch ein paar Würstchen oder ein Spiegelei“, erzählt sie und man hört ihrer Stimme an, dass es ihr Mühe macht, diese Szenen wieder aufleben zu lassen.

Die von uns ausgesuchten drei Seiten der zehnseitigen Weihnachtsausgabe von damals bestätigen Lieselotte Schuberts Erinnerungen. Gerade in den Lokalnachrichten werden die schweren, traurigen, grausamen und beängstigenden Geschichten gemieden. Es herrscht melancholische Rückschau auf bessere Zeiten und es werden zeitlosen Themen betrachtet, die den Krieg ausblenden.

Lieselotte Schubert hatte vergleichsweise Glück. Ihr Vater war Maschinenschlosser bei Wicküler und wurde in Wuppertal gebraucht. Er musste nicht an die Front. Bei allem Elend und allem Verzicht ist es auch das, was die Wuppertalerin heute mit einem leichten Lächeln zurückblicken lässt. „Die Familienzugehörigkeit stand ganz oben. Wir waren so froh, dass wir uns alle hatten.“

In guten Zeiten wie heute könne das leichter aus dem Fokus geraten. Am Ende des Jahres 1943 habe über dem Weihnachtsfest vor allem die Dankbarkeit dafür gestanden, „dass wir alle noch am Leben waren“.

Heimelige Atmosphäre verbreitet auf dieser Seite schon das Bild eines Kindes am Weihnachtsbaum, den freilich viele Familien in diesen Tagen nicht in ihren kargen Unterkünften aufstellen konnten. Der lange „Brief an einen Freund“ unten auf der Seite richtet sich an einen Wuppertaler Soldaten an der Front. Der Autor lässt Jugenderinnerungen vom Weihnachtsfest in der Aula des „Elberfelder Gymnasiums“ aufleben. Damals wurden noch echte Kerzen am Tannenbaum entzündet - eine Schnur führte ähnlich einer Lunte von Docht zu Docht und sorgte dafür, dass auch die Kerzen oben am Baum brannten.

Indirekt sind die vielen Zerstörungen in Wuppertal auf der zweiten nachgedruckten Seite Thema. In der Meldung „Trümmerhaufen sind keine Spielplätze“ werden Eltern davor gewarnt, ihre Kinder in zerstörten Hausresten spielen zu lassen. Ein elfjähriger Junge ist dabei bereits von einer einstürzenden Hauswand erschlagen worden. Auch der Text „Denkt an die Verdunkelung“ zeigt uns den damaligen Kriegsalltag, denn viele Wuppertaler wurden damit nachlässig.

Die dritte nachgedruckte Seite lässt den Blick durch „Berg und Mark“ schweifen. In der „Bergischen Polizeichronik“ ist zu lesen, was damals alltäglich war: Kaninchendiebstahl. Die kargen Lebensmittelrationen verleiteten immer mehr Menschen dazu, sich in fremden Ställen zu bedienen. Der größte Text der Seite erzählt ein Stück Eisenbahngeschichte. Der Bau der Strecke Düsseldorf — Elberfeld — Dortmund durch die Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft, die 1843 — also damals vor 100 Jahren — von Daniel und August von der Heydt gegründet worden war. Ohnehin wird die große Bedeutung Wuppertals für den Bau der Strecke herausgestellt: „Gemessen an Wuppertal waren Dortmund, Witten, Bochum, Essen, Mülheim und Duisburg ja nur Heckennester.“

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