Wahl: Auch Gefangene machen ihr Kreuzchen

Die Insassen des neuen Jugendgefängnisses können ihre Stimme per Briefwahl abgeben.

Ronsdorf. Auf dem Weg über den Parkplatz der Justizvollzugsanstalt werden die Mauern des Gebäudes immer größer. Lautsprecher-Durchsagen tönen durch das Gebäude: „Folgealarm aufgehoben“. Die Türen öffnen sich erst nach dem Klingeln automatisch. Ohne Handy und Personalausweis geht der Besucher durch ein Labyrinth von Türen und Gängen, begleitet vom Sicherheitsbeamten mit dem großen Schlüsselbund.

Raus kommt hier ohne Weiteres keiner der 510 Insassen. Doch was ist am 13. Mai, wenn auch die Häftlinge die Möglichkeit haben, an der Landtagswahl teilzunehmen? Mit Handschellen ins Ronsdorfer Wahllokal? Eine Wahlurne in der JVA? Die Antwort ist einfacher und naheliegend: „Unsere Insassen haben die Möglichkeit zur Briefwahl“, sagt Stefan Cassone, stellvertretender Leiter der JVA Ronsdorf.

Das Gefängnis ist im Wählerverzeichnis der Stadt Wuppertal eingetragen, alle Wuppertaler Insassen und die ohne festen Wohnsitz — insgesamt 38 Gefangene — bekommen die Unterlagen zur Landtagswahl in die JVA geschickt. Der Rest muss auf die Mithilfe von Verwandten und Ehepartnern hoffen. Wer seinen Wohnsitz außerhalb Wuppertals hat, dessen Unterlagen werden an die Heimatadresse gesendet. Angehörige müssen die Papiere dann nach Ronsdorf schicken oder mitbringen.

„Die Gefangenen sind darauf hingewiesen worden, dass die Unterlagen in die Heimat geschickt werden“, sagt Cassone. Da bei einem Haftantritt keine Ummeldepflicht besteht, muss das Gros der Gefangenen diesen komplizierten Weg zur Stimmabgabe in Kauf nehmen. Insassen mit „Lockerungsberechtigung“ können theoretisch auch Urlaub und Freigang zur Wahl nutzen.

Allerdings: „Der Anteil der Wähler ist aber wirklich gering“, schätzt JVA-Leiter Rupert Koch. Da die Wahlen frei und geheim sind, könne die Gefängnisleitung die genaue Wahlbeteiligung nicht nachhalten. „Ein größeres politisches Interesse kann man bei unseren Insassen aber nicht feststellen“, sagt Rupert.

Prinzipiell haben die Jugendlichen und jungen Erwachsenen in Ronsdorf aber annähernd die gleichen Möglichkeiten, sich politisch zu informieren. Die schulpflichtigen Häftlinge werden im Fach „Politik und Gesellschaftslehre" unterrichtet. Jeder kann sich einen Fernseher mitbringen oder für acht Euro im Monat leasen. Es gibt eine Bücherei und Zeitungen. Nur auf das Internet müssen die Inhaftierten verzichten. Der Wahl-O-Mat bleibt ihnen vorenthalten.

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