Vor 70 Jahren: Die „Stunde Null“

Als am 8. Mai 1945 die Waffen an allen Fronten schwiegen, hatte die „Stunde Null“ bereits begonnen.

Vor 70 Jahren: Die „Stunde Null“
Foto: dpa

Wuppertal/Düsseldorf. In etlichen NRW-Städten war der Krieg schon seit Wochen vorbei, als die Wehrmacht ab dem 7. Mai 1945 vor alliierten Streitkräften und dem sowjetischen Oberkommando kapitulierte. Bereits Mitte April rollten amerikanische Panzer durch die Trümmerfelder, die einst Wuppertal und Düsseldorf gewesen waren.

Was diese erst viel später „Stunde Null“ genannte Zeit tatsächlich bedeutete, was wirklich endete und was begann — das war im Frühjahr vor 70 Jahren keineswegs ausgemacht. Es dauerte 40 Jahre, bis Bundespräsident Richard von Weizsäcker am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag einigermaßen unwidersprochen feststellen konnte: „Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“

Es werde aber niemand um dieser Befreiung willen vergessen, so Richard von Weizsäcker weiter, welche schweren Leiden für viele Menschen mit dem 8. Mai erst begannen und danach folgten.

Im Frühjahr 1945 stand weder für die Deutschen noch für die Sieger fest, was aus den Besiegten und ihrem Land werden würde — und ob es gelingen würde, den Verlierern eine demokratische Staatsform nicht bloß zu verordnen, sondern sie tatsächlich für ein freiheitliches und friedliches Leben zu gewinnen. In den Westzonen antworteten noch 1948 57 Prozent der Deutschen auf die Frage „Halten Sie den Nationalsozialismus für eine gute Idee, die schlecht ausgeführt wurde?“ mit „Ja“.

Die Mehrheit der Deutschen fühlte sich im Frühjahr 1945 nicht befreit, sondern als Opfer. Millionen aus ihrer Heimat Vertriebene strömten in die zerstörten Städte, weitere Millionen vegetierten in Kriegsgefangenschaft einer ungewissen Zukunft oder dem Tod entgegen, das ständige Hungern und Frieren hatte seinen Höhepunkt noch längst nicht erreicht. Dass dieses Leid die Folge der Nazi-Verbrechen war, verdrängten viele.

Für die meisten Deutschen war die „Stunde Null“ vor allem eine Zeit der Erleichterung: endlich Frieden. Und es begann eine neue „Stein-Zeit“ — die der Trümmerfrauen und des Wiederaufbaus.

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