Vom steinigen Weg bis zum ersten eigenen Roman

Wie der Journalist Jörg Isringhaus seinen vielgelobten Thriller „Unter Mördern“ schrieb.

Wuppertal. Es gibt Personen, die begleiten und prägen uns ein Leben lang. Für Jörg Isringhaus war der Schwede Birger Dahlerus eine solche Schlüsselfigur. Der Wuppertaler begegnete dem Industriellen mit hervorragenden Kontakten zur Nazi-Führung während seines Geschichtsstudiums an der Bergischen Uni. Isringhaus las damals die Dahlerus’ Memoiren und war fasziniert von diesem Charakter.

Dahlerus war ein privater Vermittler, der 1939 verzweifelt den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs verhindern wollte. Er scheiterte bitterlich. "Eine Schindler-Figur", sagt Isringhaus, ein gescheiterter Held, der 1946 als Zeuge in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen aussagte und dort merkte, dass er von Göring und Hitler nur benutzt worden war. Eines war Isringhaus damals klar: Wenn er je ein Buch schreiben sollte, dann über Dahlerus.

Mehr als 20 Jahre später ist das Buch geschrieben. Isringhaus’ erstes. "Unter Mördern" heißt der Roman, basierend auf Dahlerus’ Geschichte. Seit März steht es in den Buchhandlungen. "Als ich das erste Mal im Laden mein eigenes Buch in den Händen hielt - das war ein komisches Gefühl", erzählt Isringhaus. Unwirklich und großartig zugleich. Inzwischen sind 4000 Exemplare verkauft, für ein Debüt eine verblüffend hohe Zahl.

"Ich habe über die Jahre immer wieder über den Stoff nachgedacht", sagt Isringhaus. Denn wie die meisten Journalisten hat auch ihn der Traum, einen Roman zu schreiben, begleitet. Doch im Gegenteil zu der Mehrheit seiner Kollegen hat der 49-Jährige es geschafft. Erste Erkenntnis auf dem steinigen Weg: "Ein Buch schreiben zu wollen und ein Buch zu schreiben, das sind leider zwei grundverschiedene Dinge."

Doch Isringhaus beweist Biss. Nach zahlreichen Anläufen hat er im August 2007 die entscheidende Idee, seinem historischen Helden eine zweite, fiktive Hauptfigur entgegenzusetzen. Mit diesem Kniff geht es voran.

"Ich habe vier bis fünf Monate recherchiert, mir wieder einen Bibliotheksausweis für die Uni besorgt", sagt der 49-Jährige. Ob Waffen oder Autos der 30er Jahre - die Details müssen stimmen. Mit eiserner Disziplin schreibt er früh morgens vor der Arbeit, an Wochenenden, in den Urlauben. Schreibblockaden kennt er von Berufs wegen nicht. Isringhaus ist Kino- und Amerika-Liebhaber. Beides prägt seinen Stil: bildorientiert, in schnellen Sätzen.

Ein Jahr später, im Juli 2008, ist der letzte Satz geschrieben. Jörg Isringhaus macht gerade Urlaub, doch statt Erleichterung überkommt ihn übelste Laune. "Ein grauenhafter Tag", erinnert er sich. Streit habe er angefangen, so gereizt sei er gewesen. Isringhaus zweifelt, ob er jetzt einen Verlag findet. Doch er hat Glück. Auf der Frankfurter Buchmesse findet er einen Agenten. Acht Monate später, im Mai 2009, der erlösende Anruf: "Wir haben jemanden", sagt sein Agent, meint den Berliner Aufbau-Verlag. "Ich hab mir ein Bein abgefreut", sagt Isringhaus und lächelt.

Weitere zehn Monate später hält er den Roman schließlich in der Hand. Es folgen Lesungen, Interviews, man bittet ihn, Bücher zu signieren. Für jemanden, der sonst anderen die Fragen stellt, bleibt der Platz im Rampenlicht fremd. Doch der 49-Jährige hat Blut geleckt. "Ich möchte schon, dass es weiter geht." Anzunehmen, dass er dabei einen neuen Helden im Visier hat.

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