Offen gesagt Versuch macht klug

Wer hätte das gedacht? Eine Stadt beginnt ein Projekt und hält den Zeitplan ein? Wer hätte das gedacht angesichts von planerischen und finanziellen K.o-Schlägen wie in Berlin, Hamburg und Stuttgart.

Lothar Leuschen.

Lothar Leuschen.

Wer hätte gedacht, dass es im Zeitalter von Elbphilharmonie, Hauptstadtflughafen und ICE-Bahnhof noch eine Kommune geben kann, die hält, was sie ihren Bürgern versprach? Und, Hand aufs Herz, liebe Wuppertaler, wer hätte je damit gerechnet, dass ausgerechnet Wuppertal diese Stadt ist? Das ist ja auch nicht immer so. Aber die B7 wird im Juli wieder für den Verkehr freigegeben. Ganz so, wie es der damalige Oberbürgermeister Peter Jung (CDU) vor drei Jahren versprach. Dass nun sein Nachfolger Andreas Mucke (SPD) die Lorbeeren ernten kann, ist das Ergebnis von Demokratie, zwar traurig für Jung, aber andererseits der Beweis, dass sich die Verhältnisse immer ändern können.

Mucke jedenfalls hat es sichtlich genossen, gestern den Termin für die Wiedereröffnung der Bundesstraße kleben zu können. Und auch der oft gescholtene Dezernent für Stadtplanung und Verkehr, Frank Meyer (SPD), war sichtlich froh, einmal einen Erfolg verkünden zu können. Es sei den beiden gegönnt, zumal letztlich alle Wuppertaler etwas davon haben, dass auf der B 7 der Verkehr bald wieder fließt, wenn er denn fließt.

Bei genauerer Betrachtung ist der Umbau der B7 im Zusammenhang mit der überfälligen Modernisierung des Döppersbergs nämlich ein Anachronismus. In Zeiten, in denen viele Städte darüber nachdenken, wie sie dem drohenden Verkehrsinfarkt entrinnen können, baut Wuppertal auf wenigen Metern seine Hauptschlagader auf acht Spuren aus, wohl wissend, dass es dort, wo die Straße sich auf vier Spuren verjüngt, regelmäßig zu Verstopfungen kommen dürfte. Denn voll war es dort zu Stoßzeiten auch schon vor drei Jahren, als die B7 gesperrt wurde. Die Zahl der zugelassenen Fahrzeuge ist seither auch in Wuppertal nicht gesunken.

Es ist nicht Wasser in den Wein gegossen, auf die Tatsache hinzuweisen, dass der Umbauplan für den Döppersberg und seine Verkehrsführung auf Ideen von vor 20, 30 und mehr Jahren zurückgeht. Damals war das Auto das Fortbewegungsmittel der Wahl und bewältigten Straßen n das Verkehrsaufkommen noch. Heute wissen die Verantwortlichen in allen deutschen Großstädten, dass die vorhandenen Straßen für die Vielzahl der Autos nicht mehr reichen.

Bei aller Freude über die Wiedereröffnung der B7, bei allem berechtigten Lob für das Baustellenmanagement der Stadt an dieser Stelle, hätte es Sinn, den 9. Juli als Startschuss zu verstehen, als den Tag, an dem Wuppertal beginnt, intensiv über die Verkehrsorganisation von Morgen und Übermorgen nachzudenken — auch zum Wohle der Autofahrer. Eine Bus/Fahrrad-Spur von Vohwinkel bis Berliner Platz, Leih-Fahrrad-Relais-Stationen entlang der Talachse — Möglichkeiten gibt es viele, Versuch macht klug, und Wuppertal hat doch längst bewiesen, dass es manches vielleicht ungewöhnlich, aber viel besser denkt als andere Städte. Wo sonst auf der Welt schwebt die Straßenbahn?

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