Verein blickt auf die Opfer des NSU

„Arbeit und Leben“ hat die Ausstellung nach Wuppertal geholt. Im Fokus stehen die Toten.

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beim Prozess im Oberlandesgericht München.

Die Hauptangeklagte Beate Zschäpe beim Prozess im Oberlandesgericht München.

Foto: dpa

Der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) hat nicht in Wuppertal gemordet — trotzdem haben die Taten und der Umgang damit natürlich auch hier Relevanz. Gerade weil es hier eine rechte Szene gibt, weil gut zehn Prozent der Menschen hier AfD-Wähler sind, weil die rechten Straftaten zuletzt wieder zugenommen haben — eben weil das gesellschaftliche Klima wieder offener für rechte Tendenzen ist. „Selbstverständlich ist nicht jeder AfD-Wähler Rassist, aber alle akzeptieren rassistische Äußerungen in ihrem Namen’“, sagt Jan Sudhoff, Bildungsreferent und Geschäftsführer des Vereins.

Für ihn ist Wuppertal der richtige Ort, um die Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ zu zeigen. Wegen der Vorkommnisse hier. Aber auch generell, weil es wichtig sei, zu verstehen, warum der NSU das machen konnte.

Das — das sind zehn Morde an neun Menschen mit Migrationsgeschichte und einer Polizistin, mehrere Banküberfälle und Bombenattentate — so der Stand der Dinge. Nach dem Selbstmord von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt steht Beate Zschäpe als einzige Überlebende seit 2013 vor Gericht. Bald wird das Urteil erwartet.

Und die Morde des Trios konnten eben nur funktionieren, so Sudhoff, „weil das akzeptiert wurde“. Zumindest indirekt. Denn die Morde wurden als „Dönermorde“ abgetan, die Ermittler arbeiteten in der Sonderkommission „Bosporus“. Die Opfer wurden als Täter abgetan, als Mitschuldige.

Den Blickwinkel will die Ausstellung ändern. Sie will die Zeit der Stigmatisierung beenden. Aktuell steht sie im Rathaus Barmen. Gudrun Feuerbach aus Erkrath ist gerade in der Ausstellung, als Sudhoff erklärt. Sie kommt auf Sudhoff zu, den sie als Verantwortlichen ausgemacht hat, und sagt: „Dass endlich etwas über die Opfer gemacht wird, das ist das Wichtigste.“

Die Opfer stehen im Mittelpunkt der Ausstellung — und zumindest hier im Rathaus im Mittelpunkt des Raums. Auf gut der Hälfte der 24 Plakate werden sie als Menschen präsentiert, beschrieben von Freunden, Verwandten, mit Fotos aus den Familienalben. Diese Plakate stehen im Kreis, in der Mitte des Raumes. Drum herum stehen die Plakate, die die Hintergründe erklären. Den NSU, die Ermittlungen mit den Fehlern, die Berichterstattung, die Netzwerke, die die Verbrechen unterstützt haben, aber nicht verfolgt werden.

Die Ausstellung, die bisher schon in 160 Städten halt gemacht hat, wird gefördert vom Bundesprogramm „Demokratie leben“. Dazu gehört für Sudhoff auch, Schüler einzubinden. In diese Ausstellung kommen sie nicht nur zu Besuch, sie sind selbst die Fachleute. 20 Schüler der Gesamtschule Barmen und der Gymnasien Sedanstraße und Johannes-Rau wurden in fünf Stunden ausgebildet. Sie führen jetzt jeweils mindestens eine Klasse ihrer Schule durch die Ausstellung.

Als die erste Schulklasse da war, so Sudhoff, habe er gefragt, wer den schon vom NSU gehört habe. „Nur eine hat sich gemeldet — sie hatte am Tag vorher gegoogelt.“ Für ihn zeigt das, wie wichtig solche Orte außerschulischer Bildung sind. Und weil die Schüler von eben von Gleichaltrigen geführt würden, nähmen sie auch ganz anders an der Führung teil, nähmen ganz andere Dinge daraus für sich mit, ist sich Sudberg sicher.

Dazu gibt es noch reichlich Gelegenheit. Die Ausstellung steht noch bis zum 18. Mai im Rathaus und zieht dann vom 22. Mai bis 2. Juni ins Café Hutmacher im Bahnhof Mirke. Zuletzt steht sie noch vom 4. bis 9. Juni in der Bibliothek der Universität.

Die Ausstellung wird von einem großen Rahmenprogramm begleitet — nach einigen Film- und Diskussionsabenden folgt am 3. Juni eine Fahrt nach Köln, wo der NSU eine Nagelbombe in der Keupstraße zündete.

www.demokratie-leben.de

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