Begrabt mein Herz in Wuppertal Uwe Becker setzt auf feuchtes Toilettenpapier

Unser Kolumnist sorgt sich um Spaghetti-Eis und seine Oster-Frisur.

 Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Meine Kolumne beginnt damit, dass ich erkläre, dass mir die Leerstände in den Regalen, was Klopapier und Nudeln betrifft, völlig egal sind, weil ich kein normales Klopapier benutze und schon länger keine Nudeln mehr esse und aus diesem Grund beide Artikel nicht kaufe. Schon eher würde ich im Supermarkt allzu gerne mal ein Oregano-Regal komplett leerkaufen. Übrigens bevorzuge ich aus hygienischen Gründen schon seit vielen Jahren feuchtes Toilettenpapier. Ich weiß, ökologisch eine Sünde, aber eine Wohltat für mich.

Ich wurde auf diese gut duftenden Reinigungstücher aufmerksam, als mein Sohn vor 20 Jahren geboren wurde. Ich weiß noch genau, dass ich beim Windelkauf auch immer einen Doppelpack dieser Tücher mit in den Einkaufswagen legte. Das Kind wurde damit immer schön sauber, war liebreizend anzusehen und roch auch wieder angenehm. Bevor ich meinem Sohn damals eine frische Windel anlegte, föhnte ich zusätzlich seinen Popo, bis alles schön trocken war. Zum Schluss wurde der Bub noch mit einer von Stiftung Warentest mit „sehr gut“ bewerteten Babycreme sorgsam eingestrichen - herrlich! Mütter wissen, wo von ich rede.

Unsere Wickelkommode war überhaupt der Burner schlechthin, da sie mit einer kleinen Elektroheizung ausgestattet war. Ich denke, in diesen schlimmen Zeiten, voller Sorgen und Nöte, in denen viele von uns Angst haben, kann man sicher mal ein wenig intimer und persönlicher werden, wenn wir denn schon nicht näher zusammenrücken dürfen, um den Virus nicht noch weiter zu verbreiten. Gerne teile ich mit Ihnen an dieser Stelle aber schöne Momente meines Lebens, aber auch die weniger glücklichen, so viel Zeit muss sein.

Momentan finden keine öffentlichen Veranstaltungen statt. Theater und Oper sind geschlossen. Ebenso Clubs, Cafés und Bars. Wir dürfen aber noch zum Arzt, in Apotheken, Restaurants und in Lebensmittelgeschäfte. Vielen Männern macht die Absage der Fußball-Bundesliga große Sorgen. Ohne die Fans im Stadion, die ganze fanatische Stimmung mit Pyro-Technik, fliegenden Bierbechern, Rauchbomben, Spielerfrauen und coolen Plakaten merkt man jetzt aber, dass Fußball im Grunde stinklangweilig ist.

In einem Tagtraum sorgten Überlebende der Corona-Krise später dafür, dass der Sport abgeschafft wurde. Ganz ehrlich? Mir wäre es egal, da der Heimatverein eh nicht mehr ganz oben mitspielt. Aber was geht noch in Wuppertal? Unklar ist noch die Situation beim Eis- oder Friseursalon. Darf man sich noch ein Spaghettieis bestellen? Oder gibt es nur noch Eishörnchen auf die Hand? Werde ich meinen Friseurtermin noch wahrnehmen können, wenn ich einen hätte? Nasen- und Ohrenhaare kann ich mir zur Not selber entfernen, aber beim Haupthaar möchte ich schon eine begabte Friseurin buchen, die meinen Eierkopf meisterlich beschneidet. Zum Osterfest wünsche mir schon eine festliche Frisur, denn auch in Zeiten einer Pandemie sollte man die Kontrolle über seinen Haarschnitt nicht verlieren, auch wenn einem der Jogginganzug nicht steht oder nicht mehr passt. Gerade wurde ich auf Facebook gebeten, die Seite „Mobile Friseurin Wuppertal“ mit „Gefällt mir“ zu markieren - Welch ein Zufall. Einen Spiegel sollte die Friseurin aber mitbringen, einen Stuhl und zwei scharfe Scheren habe ich im Haus.

Obgleich ich nicht erkrankt bin, habe ich mir eine freiwillige Quarantäne verordnet. Ab sofort werde ich von Wein- und Feinkosthändlern beliefert. Die zurückliegenden Besorgungsgänge waren eine Katastrophe. Nicht selten wurde ich Augenzeuge diverser, hochnotpeinlicher Geschehnisse, die mein verstörendes Menschenbild verstärkten. Bei Rewe stritten sich kürzlich eine Kundin und eine völlig erschöpft wirkende Regaleinräumerin mehr als lautstark über irgendeine bekloppte Tütensuppe, die angeblich nicht mehr vorrätig sei. Ich musste aber dringend in diesen Gang, weil mich schon von weitem die leckeren Gurken im Glas anlächelten. Ich rief also: „Jetzt aber Ruhe hier, bis ich an euch vorbei bin, ihr schreit ja schrecklich!“ Dann war es tatsächlich Mucksmäuschenstill. Als Kolumnist bekommt man immerhin noch ein wenig Respekt entgegengebracht. Ein eitler Trost in schwerer Zeit.

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