Begrabt mein Herz in Wuppertal : Kindheitserinnerungen an den WSV
Kolumnist Uwe Becker begleitete schon als kleiner Junge seinen Vater zu den Spielen.
Was ist denn da wieder bei unserem Wuppertaler Sportverein los? Ich habe noch vor wenigen Wochen zusammen mit einem Freund 100 Euro gespendet, um eine erneute Insolvenz zu verhindern. Anscheinend reichte unsere großzügige Spende aber nicht aus. Daher musste wieder Friedhelm Runge, der damals vom Hof gejagte Ex-WSV-Präsident, mit ein bisschen Geld aushelfen. Mein Gott, wie peinlich! Ob ich noch einmal zum WSV ins Stadion gehe, werde ich mir jetzt sorgsam überlegen.
Ich erinnere mich gerade, mit einer Träne im Auge, wie ich als kleiner Junge zusammen mit meinem Bruder sonntags zu Fuß von Barmen bis zum Stadion am Zoo gegangen bin, um mir vom gesparten Fahrgeld in der Halbzeit eine Bratwurst oder ein Rolli-Eis am Stil leisten zu können. Der WSV spielte damals in der Oberliga West, die nach der Saison 1962/63 abgeschafft wurde. Ich war acht Jahre alt, als der Wuppertaler SV in die 1963 neu gegründete Regionalliga West abstieg und die Fußball-Bundesliga in ihre erste Saison ging. Damals begeisterten mich spektakuläre Oberligaspiele gegen den 1.FC Köln oder Borussia Dortmund, Westfalia Herne oder den TSV Marl-Hüls.
Mein Vater nahm mich oft mit zu den Auswärtsspielen des WSV. Ich durfte im Auto, einem knallroten VW-Käfer, sogar vorne sitzen, aber nur, wenn mein Bruder nicht dabei war, er war drei Jahre älter und behauptete stetig, es wäre im Grundgesetz fest verankert, dass sich der ältere Bruder vorne neben dem Vater auf dem Beifahrersitz platzieren muss. Ich glaubte ihm das sogar, und ja, ich war richtig stolz, dass mein Bruder das Grundgesetzbuch so gut kannte.
Für mich waren die 1960-Jahre in der Oberliga und Regionalliga West die schönste Zeit, die ich mit dem WSV erleben durfte. Mein Lieblingsspieler war der Mittelstürmer, Günter „Fifa“ Augustat, der mir sehr gefiel, weil er eigensinnig war und gerne seine Gegenspieler veräppelte. Günter Augustat schoss einmal sechs Tore in einem Spiel. Ich habe das Match gegen Schwarz-Weiß Essen gesehen, und konnte am Abend vor Freude nicht einschlafen.
Der Aufstieg in die Fußball-Bundesliga war für den Verein natürlich der größte Erfolg, allerdings war ich da schon 18 Jahre alt, und andere Dinge, wie Lesen, Tanzen, Trinken, Rauchen und Mädchen wurden neben dem Fußball auch wichtig. Die intensivsten Erlebnisse mit dem WSV hatte ich als Kind. Wenn ich nach dem Schlusspfiff im Zoo-Stadion auf die Gäste-Spieler wartete, um mir Autogramme zu holen, war das sehr aufregend.