Begrabt mein Herz in Wuppertal : Die Zeit bis zur Apokalypse
Fridays for Future: Kolumnist Uwe Becker findet, die Schüler sollten unbegrenzt streiken - nur nicht an den Wochenenden.
Vor vielen Jahren, als ich noch der niedliche kleine Junge von nebenan war, da war von Klimaveränderung noch nicht die Rede. Ich bin damals so ungern in die Schule gegangen, und hätte es zu meiner Schulzeit bereits starke Klimaveränderungen gegeben, hätte ich mich über Streiks am Freitag bestimmt sehr gefreut, da wir an diesem Tag eh immer Mathematik, Physik und Chemie hatten, Fächer, die ich noch mehr verachtete, als die Schulpflicht im Allgemeinen. Meine Aversion gegen Schule war tausendmal stärker, als meine Angst um die Zukunft unseres Planeten. Ich muss gestehen, als kleiner Bub war ich schon sehr egoistisch.
Leider war der fast tägliche Gang in die Schule unumgänglich. Es gab natürlich Ausnahmen, die aber meistens schmerzvoll waren: Husten, Schnupfen, Brüche aller Art, Masern, Windpocken oder Brandverletzungen durch unachtsame Zündelei in Abwesenheit der Eltern. Wir Kinder spielten in den 1960-Jahren oft auf Trümmergrundstücken, da konnte man vom Boden essen, denn im Nachkriegsdeutschland wurden selbst die Überreste zerstörter Fabriken von fleißigen Witwen sauber gehalten. Die Luft war gesund, die Bienen summten und die Vögel zwitscherten in einer großen Auswahl. In den Sommermonaten löschten wir unseren Durst mit Bio-Regenwasser aus den Pfützen auf der Brändströmstraße. Wir mussten nur auf die Lkw Obacht geben, die knapp an uns vorbei knatterten.
Dass manche Schulen aus meiner Kindheit Jahre später ein vernichtendes Zeugnis bekamen, ahnten wir Kinder ja nicht: Bei der Ausstattung wurden Stoffe verwendet, die als flüchtige organische Verbindungen in die Raumluft gelangen, darunter giftige Weichmacher, Pestizide, Benzol, Asbest oder Formaldehyd. Heute wissen wenigstens schon fast alle Kinder, dass jeder Tag, den sie auf dieser kaputten Erde verbringen, höchst ungesund ist und bleibende Schäden hinterlassen wird.