Begrabt mein Herz in Wuppertal Ein Erbstück aus Heu und Federn

Kolumnist Uwe Becker braucht eine neue Matratze - die gibt’s reduziert fast an jeder Ecke.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Frankfurter Satiremagazins Titanic. Jeden Mittwoch schreibt er in der WZ über sein Wuppertal.

Foto: Joachim Schmitz

Wie jedes Jahr freue ich mich auf das Weihnachtsfest und das ganze Drum und Dran. Wenn ich in der Stadt meine Besorgungen erledigen muss, beobachte ich jetzt mit Spannung, wie der Lichtermarkt in der Elberfelder Innenstadt aufgebaut wird. Hier entsteht in wenigen Tagen eine wunderschöne, festlich geschmückte, christliche Stadt aus genormten Bretterbuden.

Als erstes ist oft das kleine Häuschen der Maronendealer errichtet. Die Verkäufer der Esskastanien zimmern ihren winzigen Verschlag im Nu zusammen: ein kleines Dach, vier Stangen, eine Bratpfanne, und schon steht alles bereit, um darin die Frucht des Waldes zu brutzeln.
In Kürze beginne ich mit dem Ankauf einiger Weihnachtsgeschenke, die ich dann später, zu gegebener Zeit, an alle Familienmitglieder und Freunde weiterleite, aber auch nur dann, wenn sie das ganze Jahr brav und lieb gewesen sind.

Ich würde mir dieses Jahr zur Belohnung gerne eine neue Matratze schenken, weil ich seit fast zwölf Monaten im Bett nicht mehr rauche. Nein, kleiner Scherz, natürlich rauche ich auch nach dem Aufstehen seit gut einem Jahr nicht mehr. Meine aktuelle Matratze ist ein Erbstück meiner Großmutter väterlicherseits, daher trenne ich mich nur ungern von diesem mit Heu, Wolle und Gänsefedern gefülltem Polster aus dem Jahre 1937. Da ich aber schon seit einigen Jahren auf diesem guten Stück komplett durchhänge, und die Rückenschmerzen zunehmen, ist der Neukauf einer gepolsterten Liegefläche zwingend vonnöten.

Bei meiner ersten Recherche, die Verfügbarkeit von Matratzen betreffend, fiel mir wieder einmal auf, dass die Matratzen immer im Angebot sind, quasi ununterbrochen und brutal preislich reduziert werden. Warum ist das so? In den unzählbar vielen Geschäften Wuppertals, in denen diese Teile veräußert werden, stehen gut sichtbar große Schilder im Schaufenster, auf denen „Matratzen Alles reduziert“ steht. Bei Halbschuhen ist das beispielsweise anders, sie kosten am Anfang mehr, und werden erst dann im Preis reduziert, wenn eine neue Kollektion auf der Matte steht oder das Schuhgeschäft einen Räumungsverkauf veranstaltet.

Aber warum sollten Matratzen immer direkt preisgünstiger sein, und mit einem deftigen Nachlass verkauft werden, wo sie doch gerade erst niegelnagelneu aus der Matratzenfabrik angeliefert wurden? Das kann doch nicht stimmen.

Ich habe mittlerweile den Verdacht, dass diese bequemen Unterlagen, auf denen wir seit unserer Geburt in der Nacht oder auch am Tage liegen, nicht seit jeher, wie von uns allen und sogar von Wikipedia angenommen, einfach nur „Matratzen“ heißen, sondern „Matratzen Alles reduziert“. Wenn auf dem Preisschild einer „Matratze Alles reduziert“ 99,99 Euro steht, dann ist dies kein reduzierter Preis, sondern der normale Preis für eine neue „Matratze Alles reduziert“.

Wunderschön wäre es natürlich auch, wenn ich mir keine „Matratze Alles reduziert“ kaufen muss, weil mir das Christkind oder der Weihnachtsmann eine unter den Baum legt. So, vor meinem nächsten Weihnachtsbummel lege ich mich noch ein Stündchen ins Bett, so ganz kaputt ist die alte „Matratze Alles reduziert“ meiner Oma ja auch noch nicht.

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