Begrabt mein Herz in Wuppertal Fußwege, Flaschenpfand und billiger Chianti

WZ-Kolumnist Uwe Becker sucht nach Lösungen für die Rente.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Magazins Titanic.

Uwe Becker, 1954 in Wuppertal geboren, ist Chefredakteur des Wuppertaler Satiremagazins Italien und Mitarbeiter des Magazins Titanic.

Foto: Joachim Schmitz

Ab dem 1. Juni 2020 bin ich offiziell Rentner. Die Höhe meiner gesetzlichen Altersbezüge versetzt mich schon jetzt in Angst und Schrecken. Mein erster Gedanke war: Dann werde ich eben auch Flaschensammler! Allerdings sieht man schon heute mindestens zwei bis drei Leute, die kurz hintereinander in einem Mülleimer nach Leergut suchen. In zwei Jahren liest man dann in der Zeitung, dass die ersten Flaschensammler ihren Arbeitsplatz verlieren, da der Markt einfach nicht mehr hergibt. Ich habe Ende 2017 das Rauchen auch nicht direkt aus gesundheitlichen Gründen aufgegeben, sondern weil ich die Infos über meine spaßige Mini-Rente schon zu dieser Zeit erhalten hatte. Das Bärenticket werde ich mir dann auch nicht mehr leisten können. Im Gegensatz zur Rente ist die monatliche Tagesfreizeit aber enorm hoch, so dass man alle Wege zu Fuß erledigen kann.

Wenn ich um 8 Uhr in der Frühe bei meinem Augenarzt in Vohwinkel einen Termin habe, dann gehe ich eben um 6 Uhr los. Das ist alles im Rahmen des Erträglichen. Sollte ich allerdings in zwei Jahren nicht mehr so gut zu Fuß sein, dann wird’s schon etwas kriminell, und ich müsste Freunde bitten, mich mit dem Auto von Pontius zu Pilatus zu fahren. Da man im hohen Alter oft störrisch und seltsam wird, schätze ich, dass die Liste meiner Freunde dann mehr als überschaubar ist. Vielleicht bleibt mir noch ein guter Freund, der hat dann aber höchstwahrscheinlich keinen Führerschein, sitzt im Rollstuhl und leidet an Demenz. Immerhin wird meine Warmmiete durch die winzige Rente gedeckt. Ich muss am Ende nur schauen, wo ich etwas Geld für Essen und Trinken herbekomme. Wenn ich nun, in der Zeit bis zur Rente, zwei Jahre lang, wöchentlich zehn Euro in ein Sparschwein stecken würde, dann hätte ich zum Rentenantritt ein Budget von knapp 1000 Euro für Lebensmittel und Getränke. Wie weit kommt man damit? Bei Brot, Margarine, Käse, Spaghetti mit Tomatensoße und billigem Chianti könnte ich damit sechs Monate auskommen. Mehr als fünf Euro pro Tag brauche ich nicht für Lebensmittel. Aber was kommt danach? Aufstock-Rentner möchte ich nicht werden. So lange ich lebe, werde ich kein Sozialamt betreten. Was aber ist, wenn ich nach Rentenantritt länger als sechs Monate leben sollte? Nicht auszudenken, ich würde weit über 100 Jahre alt, dann müsste ich zur Wuppertaler Tafel, und das wäre mir unangenehm, wie so vielen Menschen, die dort täglich Lebensmittel bekommen.

Die vernünftigste Lösung wäre, wenn ich trotz Rentenbezug allen meinen Jobs weiter nachgehen würde – so fern die alten Knochen es erlauben, dann hätte ich zusammen mit der irre kleinen Rente vom Staat ein hohes Gesamteinkommen, und wäre im Greisenalter finanziell mehr als breit aufgestellt. Wenn ich aber mit 65 Jahren wirklich die Beine hochlegen möchte, dann gibt es nur eine Lösung: Ich stecke jetzt nicht zwei Jahre lang zehn Euro wöchentlich in mein Sparschwein, sondern 10 000 Euro, dann hätte ich später, neben meiner kleinen, miesen, gesetzlichen Mini-Rente, zusätzlich noch ein Budget von knapp einer Million Euro für Essen und Trinken. Mit diesem Kapital im Rücken könnte ich dann auch beruhigt und ohne sparsam leben zu müssen, locker dass Alter einer Galapagos-Schildkröte erreichen.

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