Wupper-Serie Unterwegs von der Wupperquelle bis nach Wuppertal

Wuppertal · Die WZ folgt der Bergischen Lebensader auf ihrer Reise von der Quelle in Marienheide bis nach Wuppertal.

 An der Kräwinklerbrücke dürfen Menschen in der Wupper abtauchen: Das tun Michelle Siemon (l.) und Mareike Schmidt-Jansen gern.

An der Kräwinklerbrücke dürfen Menschen in der Wupper abtauchen: Das tun Michelle Siemon (l.) und Mareike Schmidt-Jansen gern.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Vor einer Gaststätte im 260-Seelen-Dorf Börlinghausen ruht ein ausgetrocknetes Biotop. Zwei Holzschildkröten bewachen das versiegte Gewässer, das so aussieht, als wäre es der Exitus eines Gartenteichs, an dem irgendjemand vor langer Zeit die Lust verloren hat. Dabei steht dieser Ort eigentlich sinnbildlich nicht für ein Ende, sondern für einen Anfang. Vor dem Lokal, in dem den Gästen zwei Schweinerückensteaks mit Spiegelei als „Wupperteller“ aufgetischt werden, entspringt offiziell die Wupper. Zumindest haben sich die Menschen darauf verständigt. In Wirklichkeit lässt sich ein Anfang der Wupper schwer fassen. Je nachdem wie die Wetterlage ist, speisen mehr als 30 kleine Quellen in einem unter Naturschutzgebiet stehenden Hochmoorgebiet ein kleines, feines Bächlein, das hier in Marienheide-Börlinghausen im Oberbergischen Kreis noch Wipper genannt wird. Aus diesem zarten Rinnsal wird auf einer Reise über 115 Kilometer, durch Städte und Dörfer, in denen insgesamt eine Millionen Menschen Leben, ein reißender Fluß. Die WZ begleitete ihn auf seinem abwechslungsreichen Lauf vom Oberbergischen Kreis bis nach Leverkusen, wo er in den Rhein mündet.

Wohl kaum ein Mensch hat eine engere Beziehung zur Wupper als Doris Rößler. Die 76-Jährige ist an der offiziellen Wupperquelle aufgewachsen, die in ihrer Kindheit noch einen 1,50 Meter tiefer Brunnen vor dem Haus ihrer Eltern speiste. Für Rößler und ihre Familie war die Wupper Lebenselixier. „Wir haben immer aus dem Brunnen getrunken. So leckeres Mineralwasser gab es nirgendwo zu kaufen“, sagt die Börlinghausenerin. 1959 sei der Sommer besonders trocken gewesen und viele Brunnen des Dorfes versiegten. „Nur unser Brunnen hatte immer Wasser“, erinnert sich die Seniorin, die heute noch immer in dem Haus lebt, in dem seit 1954 das Restaurant „Zur Wupperquelle“ zu finden ist. Seit der Wupperverband vor Jahrzehnten aus dem Brunnen ein Biotop gemacht hat, trockne die Wupperquelle immer wieder aus. „Die Plane im Boden ist gerissen. Aber leider kümmert sich niemand darum“, sagt Rößler. Das Grundstück gehöre der Gemeinde.

Ein kleines Bächlein
wippt durch die Wiesen

Ein doch etwas trauriger Start für die Wupperreise: kein Wasser, kein Plätschern. Das gibt es erst im Tal, ein paar hundert Meter unter dem Quellengebiet. Ganz unscheinbar bahnt sich ein kleiner Bach seinen Weg durch zugewachsene Ufer, verdeckt von Bäumen und Gestrüpp. Das Quellwasser bündelt seine Kräfte im Tal, so dass dort zum ersten Mal eindeutig Bewegung zu sehen ist: die Wipper. „Wipper heißt der Fluss ja hier, weil er so durch die Wiesen wippt“, sagt Doris Rößler. Das Wasser ist glasklar, Bewegung lässt sich nur dort ausmachen, wo größere Steine den Lauf beengen.

Das zaghafte Bächlein nimmt auf den nächsten Kilometern Schwung auf. Die kommenden Ortschaften hat die Lebensader geformt, so wie das Wasser das Flussbett. So windet sich die Wipper durch Klaswipper, Holzwipper, Schmitzwipper, Böswipper und Niederwipper - allesamt Ansiedlungen mit rund 100 Menschen oder weniger. Die Landschaft ist bergig, die Topographie kann die Nähe zum Sauerland nicht leugnen. Die Wipper windet sich ganz natürlich immer dort, wo es am flachsten ist.

Nur selten ist die junge Wipper auf ihrem Weg allein. Begleiter machen sich regelmäßig auf und Bezwingen den 125 Kilometer langen Wupperweg von der Quelle bis zur Mündung. Obwohl der Rhein von hier aus noch Welten entfernt scheint, Mike Theisen stellt sich trotzdem der Herausforderung. In sechs Etappen wandert der Düsseldorfer den Fluss ab. „Ich habe mein Auto jeden Tag am Zielpunkt stehen und fahre mit dem ÖPNV zum Startpunkt“, sagt der 61-Jährige. Für heute hat er Wüppferfurth als Ziel anvisiert.

Am 30. Dezember 1995 verlor die Wipper genau dort in Wipperfürth, der ältesten Stadt im Bergischen, einen anderen langjährigen Begleiter. Die Wippertalbahn tuckerte seit 1876 von Lennep über Hückeswagen nach Wipperfürth und ab 1902 auch bis Marienheide. Doch der Siegeszug des Individualverkehrs machte die Bahnlinie immer weniger rentabel. Heute flitzen Radfahrer über die inzwischen asphaltierte Strecke, die Wuppertaler an die Nordbahntrasse erinnern dürfte.

In Wipperfürth lässt es sich ein Schoof von rund 30 Enten im Wasser gut gehen. Noch vor einigen Kilometern wären sie in der schmalen Wipper wohl mit dem Hintern stecken geblieben. Doch der Fluss ist breiter und kräftiger geworden. Grund dafür sind viele kleine, auch unterirdische Zuläufe, die frisches Wasser zusteuern. „Die Zuläufe der Wupper sehen auf einer Karte aus wie das Adersystem des menschlichen Körpers“, sagt Susanne Fischer, Sprecherin des Wupperverbandes.

Wipperfürth wird der Fluss als Wupper verlassen. Und seine inzwischen gewonnene Kraft stellt er seit Jahrhunderten immer wieder in den Dienst der Menschen an seinen Ufern. Mehr als 100 Mühlen gab es einst im Bergischen Land. Später erzeugte ein Turbinenhaus bei Wipperfurth Strom.

An der Kräwinklerbrücke ist
Baden in der Wupper erlaubt

Als nächste Stadt erreicht die Wupper Hückeswagen und klopft damit bereits ans Bergische Städtedreieck an, denn Remscheid liegt nebenan. Hier ändert die Wupper ihr Gesicht nun vollends. Durch Wuppervorsperre (1976 in Betrieb genommen) und Wuppertalsperre (seit 1989) wird der Fluss breiter und breiter. Am nordwestlichen Ende von Hückeswagen beträgt die Distanz zwischen den Ufern teils mehr als 150 Meter.

Hier begegnet die Wupper dem Haus Hammerstein, ein ehemaliges Hotel das heute von der Lebenshilfe betrieben wird. Das Besondere: Die Wupper umspült das Haus von drei Seiten. Auf dieser Landzunge ist der Übergang zwischen Wupper und Ufer fließend. Die Wiese wird immer sumpfiger, bis sie von dem Fluss erfasst wird, der an dieser Stelle wie ein See wirkt. An einem ruhigen Tag antworten auf das Rauschen der allmächtigen Wupper höchstens ab und zu ein paar Vögel. Manchmal gehen einzelne Bewohner des Hauses runter ans Ufer und beobachten die Wogen des Wassers.

Im weiteren Verlauf kommen die Menschen der Wupper noch näher und tauchen ins kühle Nass ein. Im Freizeitpark Kräwinklerbrücke ist das in Badezonen erlaubt. An dieser Stelle zeigt sich die Wupper von ihrer zahmen Seite. Ohne gefährliche Strömungen oder Gefälle. Auch Kanuten gleiten dort gerne übers Wasser. Bei Sonnenschein haben es sich die Menschen auf Decken gemütlich gemacht, schlecken ein Eis und freuen sich über den Strom, der in seiner ganzen Schönheit bald Wuppertal erreichen wird.

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