Bergische Universität „Fußgängerverkehr ist schwer zu begreifen“

Unital-Vortrag: Professor Armin Seyfried berichtete über die Ursachen von Staus und Gedränge in Menschenmengen.

 Armin Seyfried (l.) und Norbert Brenken.

Armin Seyfried (l.) und Norbert Brenken.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Ein Kriterium seriöser Wissenschaft ist die Bereitschaft, sich zum Nichtwissen zu bekennen. Das hielt auch Professor Dr. Armin Seyfried am Donnerstagabend bei seinem Vortrag im Rahmen der Reihe „Unital“ so. Obwohl sich der Wissenschaftler der Fakultät für Architektur und Bauingenieurwesen seit etlichen Jahren mit Staus und Gedränge in Fußgängerströmen beschäftigt und zahlreiche Experimente dazu durchgeführt hat, weiß er auf die Frage, wer schuld an der Loveparade-Katastrophe in Duisburg hat, keine schlüssige Antwort. Auf die entsprechende Nachfrage eines Besuchers räumte er ein, dass auch er das Unglück auf dem Veranstaltungsgelände der Techno-Party nicht hätte voraussehen können.

Die nüchterne Einschätzung mochte einige Besucher des Vortrages  erstaunen, hatte Seyfried bei seinen Ausführungen in der evangelischen City-Kirche doch zuvor mit Verweis auf Experimente und Computersimulation über die Entwicklung von Staus und Gedränge in dichten Menschenmengen referiert. Das Thema sei „unglaublich komplex“, der Fußgängerverkehr mitunter „schwer zu begreifen“, räumte der Professor ein. Oder anders gesagt: „Die Frage, wann voll gefährlich wird, ist schwierig zu beantworten!“ Zudem suchten Menschen - wie etwa beim Vohwinkeler Flohmarkt - gerne das Gedränge; der Schritt von einer angenehmen zu einer Gefahrensituation sei da nur ein kleiner.

Experimente mit
zahlreichen Studenten

Insofern blieb eine wichtige Frage des Abends - auch aufgrund des noch laufenden Prozesses zum Loveparade-Unglück - unbeantwortet. Gleichwohl lieferten Seyfrieds Untersuchungen, bei denen er immer wieder Experimente mit zahlreichen Studenten nachstellt, die sich als simulierte Fußgänger mit- und aneinander vorbeischieben müssen, einige wichtige Erkenntnisse. So hat beispielsweise das Drängeln einen ambivalenten Charakter: Einerseits wird es in den Experimenten immer wieder als Phänomen bezeichnet, das für Stress in der Masse sorgt, andererseits ist es ein Verhalten, das die Beteiligten an den Tag legen, um selbst einen Vorteil zu ergattern und schneller ans Ziel zu kommen. Hier gelte offenbar nach wie vor „das Recht des Stärkeren“.

Bauliche Maßnahmen in Gebäuden oder Verkehrsknotenpunkten könnten da Abhilfe schaffen. So haben die Untersuchungen Seyfrieds ergeben, dass durch die intelligente Führung von Fußgängerströmen die Gefahr von Gedränge deutlich minimiert wird. Der Wissenschafter machte dies an einer Versuchsanordnung deutlich, bei der es darum ging, durch zwei schmale Durchgänge zu gehen. Bildet sich vor den beiden Passagen ein Halbkreis, kommt es viel schneller zu Gedränge, als wenn die Menschen über einen schmaleren Korridor zu den Durchgängen geleitet werden. Fazit: Warteschlangen können Staus vermeiden und für einen geordneteren Fußgängerverkehr sorgen.

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