Unital: Eine Idee der Griechen für das Land der Barbaren

Der Historiker Wolfgang Orth denkt an Europa und entführt ins alte Griechenland.

<strong>Wuppertal. Mit Europa verbinden die meisten von uns Begriffe wie Euro, Osterweiterung, Brüssel oder freier Grenzverkehr. Kaum jemandem kommen auf Anhieb bei Europa die alten Griechen in den Sinn. Dabei hat das antike Hellas mehr mit dem heutigen Europa zu tun, als allein verantwortlich für die Namensgebung zu sein. Professor Wolfgang Orth, Historiker und Fachmann für Alte Geschichte an der Bergischen Universität, sieht in den Griechen gar die Erfinder Europas. Warum, das wird er am Donnerstag in der Vorlesungsreihe "UniTal" in der CityKirche Elberfeld verraten. "Von der Philosophie bis zur Staatsform - wir sind die Erben der griechischen Kultur", stellt Orth klar und erinnert daran, dass die Demokratie vom antiken Griechenland eingeführt wurde und heute eine Grundvoraussetzung für die Aufnahme in die europäische Staatengemeinschaft ist. Doch das allein macht die Griechen noch nicht zu den Erfindern Europas. Da muss der Wissenschaftler in die Tiefe, sprich ins Grundsätzliche eindringen. "Die Aufteilung der Welt in verschiedene Kontinente tauchte nachweisbar bei den Griechen zum ersten Mal auf", so der Wissenschaftler. Dabei dachten die Jünger Zeus’ nicht etwa an die Grenzen des Schengener Abkommens - im Gegenteil. Sie versuchten sich ihre bekannte Welt zu erklären, also vor allem den Mittelmeerraum. Nördlich der Alpen, wo heute das Herz Europas schlägt, hausten für sie die Barbaren. Wilde Gesellen, mit denen man nichts zu tun haben wollte.

"Die Griechen richteten ihren Blick von Anfang an nach Asien, wo sich die anderen Hochkulturen der Antike entwickelt hatten", erklärt der Historiker. Dabei habe man schon eine grundsätzliche Verschiedenheit ausgemacht und sich entsprechend abgegrenzt.

"Allerdings war man sich immer der Tatsache bewusst, dass auch in Kleinasien Griechen lebten. Zu ihnen gehörte schon Homer, der mit seiner Dichtung am Anfang der abendländischen Literatur steht. Ob gerade Troja, von dem Homer erzählt, mehr als griechisch oder mehr als asiatisch bestimmte Stadt anzusehen ist, wird in jüngster Zeit heftig diskutiert", so Orth.

Europäer nach heutigem Verständnis waren die Griechen allerdings nicht. "Es ging ihnen nie darum, Europa zu einen", weiß Orth. Auch als Handelsraum spielte das Europa der Antike keine herausgehobene Rolle. Orth: "Die wirtschaftlichen Strukturen waren eher bescheiden."

Vielmehr schon ging es um kulturelle Identität - und genau das schafft für Orth auch den Sprung in die Gegenwart. Das heutige Europa könne als reiner Verbund von Wirtschaftsinteressen nicht funktionieren, ist er sich sicher.

Ohne direkt auf die aktuelle Türkei-Debatte in der Europäischen Union einzugehen, meint Orth: "Europa steht auch auf einem kulturellen Fundament, oder anders gesagt: Die Zusammengehörigkeit muss von den Menschen auch empfunden werden können."

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