Unital: Das Irrationale ist nur allzu menschlich

Professor Michael J. Fallgatter lehrte in der CityKirche Elberfeld, warum im Alltag oft viel zu abwegig entschieden wird.

Wuppertal. Ab und zu gelingt mal eine weise Entscheidung. Die Kölner Rockgruppe setzte dieser Erkenntnis ein Denkmal, nannte eines ihrer Musikalben "aff un zo" und schmückte das Cover mit einem Sinnbild scheinbaren Aberwitzes: mit einer "So-da-Brücke".

Michael J. Fallgatter, Wirtschaftswissenschaftler an der Bergischen Universität, erklärt den Namen dieser Brücke, weil sie einfach nur "so da" ist - gebaut, ohne die zugehörige Autobahn nachzulegen. Warum es sich um eine weise Entscheidung handelte, erläuterte Fallgatter in der CityKirche Elberfeld, wo gestern mit seinem Vortrag "Irrationalität zum Anfassen" die neue Staffel der Reihe UniTal begann.

Tatsache ist: Die Entscheidungsträger haben bei der So-da-Brücke an versunkene Kosten gedacht und ein unrentables Projekt gestoppt, bevor die Verluste ins Immense stiegen und noch mehr Kapital versenkt wurde. Das, wird nun jeder denken, sei doch nur klug und menschlich.

Doch Fallgatter musste die Gäste in der vollbesetzten CityKirche enttäuschen: Menschlich ist so eine Entscheidung keineswegs, denn wer einmal aufs falsche Pferd gesetzt hat, neigt eher dazu, sich mit dem gleichen Klepper ganz zu ruinieren.

Weil diese Erkenntnis erst einmal beargwöhnt wurde, führte Fallgatter das Publikum schon eingangs auf das Glatteis des Absurden: Zu ersteigern war ein Euro. Nachdem er die Auktion als wissenschaftliches Experiment getarnt hatte, fand Fallgatter seine willigen Bieter und trieb sie dazu, sich gegenseitig hochzuschaukeln. Für ihn selbst bleibe das höchste und das zweithöchste Gebot, hernach gestiftet für einen guten Zweck.

Dass auf diese Weise mehr als 2,55 Euro in die Kasse der CityKirche wanderten, konnte nur den Laien erstaunen, während Fallgatter längst "Überraschendes und Ernüchterndes in Alltagsentscheidungen" bekannt waren. Eine eskalierende Selbstbindung nannte der Wissenschaftler das Phänomen, bei dem ein Gebot zum Folgegebot führt, bis nur noch zählt, nicht als (vermeintlicher) Verlierer aus dem Spiel hervorzugehen.

Wettbewerbsteilnehmer bei Mammutprojekten im Baugeschäft würden ebenso in solche Irrationalitäten einsteigen wie Wettrüster an einer Staatsgrenze. Dazu gebe es allerlei Erklärungsversuche, einer davon sei eben, die versunkenen Kosten nicht einzurechnen. Ein anderer erschließe sich über den neudeutschen Begriff "Framing". Es sei entscheidungsprägend, ob bei einem Risikospiel der mögliche Verlust oder der potentielle Spargewinn herausgestellt werde.

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