UniTal: Bildung und Föderalismus – eine deutsche Baustelle

Professor Kerstin Schneider sprach vor vollem Haus über Pisa und die Folgen.

Wuppertal. Preußens Glanz und Gloria hatten ihre eindrucksvollen Seiten. Dennoch steht niemand mehr stramm vor dem Gardemaß der Langen Kerls oder verguckt sich in alte Zöpfe. Anders sieht es im Schulsystem aus. Da hat sich einiges von preußischer Ideologie erhalten.

Im Rahmen der Reihe UniTal legte Wirtschaftswissenschaftlerin Kerstin Schneider, Professorin der Bergischen Universität, gestern in der CityKirche Elberfeld allerlei von dem bloß, was aus Traditionsbewusstsein bewahrt wird. Ihr Ansatz beim Thema "Pisa - die Schieflage des deutschen Bildungssystems" war kein pädagogischer und genau deshalb ein sehr erfrischender.

Wie sähe es etwa aus, wenn man einmal Mäuschen spielen dürfte in einer ganz normalen Schulstunde? Keiner außer den Schülern und dem jeweiligen Lehrer weiß es, denn Unterrichtsbesuche werden nach alter Gewohnheit lange vorher angekündigt - womit die Schulstunde aus dem Rahmen des Normalen fällt.

Dass das Einkommensniveau deutscher Lehrer im internationalen Vergleich gar nicht übel sei, räumte Schneider ein. Dennoch, so mahnte sie, könnten monetäre Anreize für Lehrer erheblichen Einfluss auf das Leistungsniveau des Unterrichts haben - wie Praktiken in anderen Ländern bewiesen.

Das zwei- bis viergliedrige Schulsystem deklarierte die Wissenschaftlerin als "deutsche Baustelle", die Diskussionen um eine Zentralprüfung erachtete sie aus ökonomischer Sicht als hinderlich, da erst Standards Leistung messbar und transparent machten. Die Föderalismusreform habe dem Bildungssystem einen Bärendienst erwiesen, indem sie die Bildungshoheit den Ländern weiter übertragen habe.

Daneben verwies Schneider auf massive und doch kaum vertraute Ungerechtigkeiten. So bedeute die Festlegung auf einen Stichtag für die Einschulung eben keine Chancengleichheit, denn wer zu früh eingeschult werde, habe geringere Aussicht auf eine Gymnasialempfehlung.

Diese Erkenntnis ist Ergebnis einer Studie und sollte Anlass zum Handeln sein. Entsprechend wünschte sich Schneider weniger ideologische Diskussionen und einen schärferen Blick auf wissenschaftliche Analysen mit der Bereitschaft, aus den Ergebnissen auch Konsequenzen zu ziehen. Als vorbildliches und in Wuppertal verankertes Instrument hob sie dabei die Junior-Uni hervor - immerhin auch eine beherzte Kooperation zwischen Stadt, Wirtschaft und Uni.

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