Prozess in Wuppertal Tödliche Attacke am Kipdorf - Staatsanwalt fordert lebenslänglich

Wuppertal · Die Verteidiger dagegen wollen weniger als drei Jahre Haft für ihre beiden Mandanten.

 Die Mitglieder der zerstrittenen Familien gerieten am 18. August 2017 auf der Straße Kipdorf aneinander.

Die Mitglieder der zerstrittenen Familien gerieten am 18. August 2017 auf der Straße Kipdorf aneinander.

Foto: Katharina Rüth

Gemeinschaftlicher Mord oder nur gefährliche Körperverletzung? Lebenslange oder nur wenige Jahre Haft? Weit auseinander liegen die Ansichten zu den Tatanteilen der beiden Angeklagten im zweiten Prozess um die tödliche Messerattacke an der Straße Kipdorf vor zweieinhalb Jahren. Am Mittwoch wurden in dem Prozess die Plädoyers gehalten, das Urteil soll am 13. Februar verkündet werden.

Am 18. August 2017 war es am frühen Nachmittag zu einer Auseinandersetzung auf der Straße Kipdorf und in einer dortigen Toreinfahrt gekommen, bei der auch Messer und Kurzschwerter zum Einsatz kamen. Am Ende war ein 31-Jähriger tödlich, sein Bruder (25) schwer verletzt. Im Mai 2018 wurden bereits zwei Jugendliche wegen Totschlags und versuchen Totschlags zu jeweils neuneinhalb Jahren Haft verurteilt. Jetzt stehen ein 25-Jähriger und ein 31-Jähriger vor Gericht.

Familien zerstritten sich
wegen einer Shisha-Bar

Hintergrund waren Streitigkeiten zwischen zwei Familien. Die eine aus dem Irak stammende und schon länger in Wuppertal lebende Familie hatte der anderen, aus Syrien geflohenen Familie geholfen, eine Shisha-Bar zu eröffnen. Doch über diese Bar hat sich das freundschaftliche Verhältnis entzweit, auf dem Kipdorf gerieten dann zwei Brüder der irakischen Familie und vier Mitglieder der syrischen Familie aneinander.

Aus Sicht der Staatsanwaltschaft war eine Begegnung zwischen zwei der Syrer und den beiden Irakern bei dem Friseur an der Straße Auslöser. Die beiden Syrer verließen das Friseurgeschäft, haben dann nach Ansicht des Staatsanwalts in einer nahegelegenen Wohnung gemeinsam mit einem weiteren Bruder und einem Schwager den Entschluss gefasst, sich an den Irakern zu rächen und sie zu töten. Dazu hätten drei von ihnen die beiden Iraker auf der Straße angegriffen, während sich der vierte, der heute 31-Jährige von hinten angeschlichen und jedem der irakischen Brüder in Mordabsicht in den Rücken gestochen habe. Einen Bruder habe er nur verletzt, den anderen tödlich getroffen.

Die Verteidiger stellten das Geschehen aus Sicht der Angeklagten als spontane Handlung dar. Die syrischen Brüder hätten die Angelegenheit nach der Begegnung beim Friseur als erledigt betrachtet. Sie hätten dann wie geplant ihren Schwager in der Nähe besucht. Und durchs Fenster gesehen, wie der dritte Bruder auf dem Weg zu ihnen auf der Straße angegangen wurde. Um ihm zu helfen, seien sie wieder auf die Straße gelaufen, hätten dabei Messer mitgenommen.

Der 31-jährige Syrer habe dem jüngeren Iraker nur deshalb in die Schulter gestochen, um an ihm vorbei in die Toreinfahrt zu gelangen, wo er seinen Bruder vermutete. Der heute 25-jährige Syrer habe sich im Kampf mit dem später tödlich verletzten 31-Jährigen gewehrt, diesem dabei ins Knie gestochen. Keiner der beiden Angeklagten habe den tödlichen Stich gesetzt.

Die Verteidiger verwiesen auch auf die Charaktere und sozialen Stellungen der Beteiligten. Die Brüder der irakischen Familie seien als erfolg- und einflussreich sowie als Männer bekannt gewesen, die Streit nicht aus dem Weg gehen. Die beiden Angeklagten hätten ihre Heimat verlassen, weil sie nicht in die Kriegshandlungen in Syrien verwickelt werden wollten. Sie seien bisher nicht polizeilich aufgefallen. Insbesondere der 31-Jährige habe Zukunftspläne, die er nicht mit einer sinnlosen Gewalttat gefährden wolle.

Die beiden aktuell Angeklagten waren nach der Tat geflohen, im September 2018 wurden sie in der Ukraine gefasst. Sie saßen dort knapp fünf Monate in Auslieferungshaft, bevor sie im Februar 2019 nach Deutschland gebracht wurden. Seit Juli 2019 läuft der Prozess vor dem Landgericht. Die Verteidiger forderten in ihren Plädoyers die Anrechnung dieser Haftzeiten, die in der Ukraine wegen besonders harter Bedingungen sogar dreifach. Weil bei einer Strafe von unter drei Jahren schon ein Großteil der Strafe abgesessen sei, forderten sie zudem, dass ihre Mandanten jetzt auf freien Fuß kommen, bevor sie zum Antritt der Reststrafe aufgefordert werden.

Beide Angeklagten erklärten in ihrem letzten Wort, ihnen tue sehr leid, was geschehen sei. Sie hätten niemanden getötet und das auch nicht gewollt.

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