Wirtschaftsjunioren Vielfältige Bedrohungen im sichersten Land der Welt

Thomas Haldenwang, Präsident des Verfassungsschutzes, sprach beim Bundeskongress der Wirtschaftsjunioren.

 Konferenz-Direktorin Marion Rodine überreicht Thomas Haldenwang eine Tasche mit dem Logo „Be Bergisch“, mit der alle Teilnehmer ausgestattet wurden.

Konferenz-Direktorin Marion Rodine überreicht Thomas Haldenwang eine Tasche mit dem Logo „Be Bergisch“, mit der alle Teilnehmer ausgestattet wurden.

Foto: Christopher Wojciech

Einen namhaften und einflussreichen Gastredner hatten die Organisatoren der Bundeskonferenz der Wirtschaftsjunioren unter dem Titel „Be Bergisch“ für den dritten Tag aufgeboten: Thomas Haldenwang, Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Im Hörsaal 32 auf dem Campus Grifflenberg der Bergischen Universität ließ der gebürtige Wuppertaler mit souverän vorgetragenen Argumentationsketten erkennen, warum die demokratischen Parteien im Bundestag in ihm den richtigen Mann an der richtigen Stelle zum richtigen Zeitpunkt sehen. 45 Minuten sprach Haldenwang über die Kernaufgaben des Bundesamtes, in weiteren 45 Minuten stellte er sich den Fragen seiner Zuhörer.

Sieben von zehn Firmen
werden digital angegriffen

Beim Punkt Spionageabwehr dürften die Wirtschaftsjunioren besonders aufmerksam zugehört haben, denn Haldenwang verriet nicht nur, dass Berlin die Welthauptstadt der Spione ist, sondern auch, dass Cyberangriffe auf deutsche Unternehmen allein 2018 einen Schaden von 43,4 Milliarden Euro angerichtet haben. Von zehn Unternehmen seien sieben betroffen gewesen.

Das Problem betreffe insbesondere den Mittelstand. „Die deutsche Technologie ist weltweit von großem Interesse. Beim deutschen Mittelstand ist das Bewusstsein über die Gefahr durch Cyberangriffe nicht so stark ausgeprägt wie in den großen Konzernen. Es wird in vielen Fällen ein Wahnsinnsrisiko eingegangen. Ein Standardvirenschutzprogramm hilft da überhaupt nicht mehr“, warnte Haldenwang.

Er forderte die Unternehmen auf, Fälle von Cyberangriffen beim Bundesamt für Verfassungsschutz zu melden. Das könne zur Warnung anderer Unternehmen dienen und zur Abwehr von Bedrohungen in Netzwerken beitragen. Die Sorge der Unternehmen, dass ihre Sicherheitslücken bei einer Meldung öffentlich bekannt würden, sei unbegründet, da das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht zur Veröffentlichung verpflichtet sei.

Früher seien zahlreiche Cyberangriffe aus China bekannt geworden, die recht dilettantisch ausgeführt wurden. „Heute sind es weniger Fälle, die aber zielgenau und gut vorbereitet sind.“

Seit knapp einem Jahr ist Thomas Haldenwang im Amt. Das Bundesamt für Verfassungsschutz hat er nach den Turbulenzen um seinen Vorgänger Hans-Georg Maaßen in politisch ruhiges Fahrwasser gebracht. „Die Sicherheitsorgane sind personell verstärkt worden, woran es fehlt, sind die Befugnisse“, sagte Haldenwang, der an der Spitze von fast 4000 Mitarbeitern des Bundesamtes steht. 4000 – das ist im Vergleich zur National Security Agency (NSA) in den USA, die 60 000 Mitarbeiter zählt, bescheiden. „Wenn es einen Ausbau der Befugnisse gibt, sollte es im Gegenzug einen Ausbau der parlamentarischen Kontrolle der Aktivitäten des Bundesamtes geben. Kontrolle sorgt für Vertrauen“, sagt Haldenwang.

Weitere Themen des Vortrags und der anschließenden Diskussion waren die Gefahren durch Extremisten: Islamismus, Linksextremismus und Rechtsextremismus – alle Bereiche erforderten anhaltende Wachsamkeit. Die systematische Beobachtung der AfD aus offenen Quellen sei unabhängig davon zu sehen, dass es sich bei der AfD um eine demokratisch gewählte Partei handele.

„Wir hatten schon einmal eine Demokratie, die sich selbst abgeschafft hat. Die Möglichkeit der Kontrolle von Parteien haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes vorgesehen.“ Wobei Haldenwang die Gefahr für die Demokratie durch Rechtsextreme aktuell als außergewöhnlich hoch ansieht.

Den Personenkreis, dem er zutraut, einen islamistischen Anschlag selbst zu begehen oder ihn zu unterstützen, beziffert er auf 2240 Personen. Eine Überwachung rund um die Uhr aller Gefährder sei nicht möglich. „Wir kennen sie alle und müssen die Fälle priorisieren.“

Trotz der auf Jahre hinaus zu erwarteten Bedrohungen durch Extremisten wie etwa den Rückkehrern aus Syrien und Irak sowie einer „enormen Dynamik“ des Rechtsextremismus schloss Haldenwang sein „Heimspiel“ in Wuppertal mit einer optimistischen und beruhigenden Einschätzung: „Deutschland ist das sicherste Land der Welt“.

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