Terrorprozess: Ein JVA-Seelsorger beugt sich

Warum ein katholischer Gemeindereferent, der in der JVA Simonshöfchen Dienst tut, doch nicht in Beugehaft genommen wurde.

<strong>Wuppertal. Bewaffnete Polizisten vor und im Gebäude, Videokameras und eine penible Personenkontrolle in der Besucher-Schleuse: Wenn in der Nebenstelle des Oberlandesgerichts Düsseldorf verhandelt wird, herrscht Sicherheitsstufe eins. Gestern war es wieder soweit. Auf dem Programm stand der 61. Verhandlungstag in einem Prozess gegen drei mutmaßliche El-Kaida-Terroristen. Seit Mai 2006 wird dem Trio im OLG-Hochsicherheitstrakt der Prozess gemacht. Der katholische Gemeindereferent Peter C. (Name von der Redaktion geändert) war dabei zunächst nur einer von vielen Zeugen. Doch dann kollidierte in dem Endlosverfahren der aufklärerische Anspruch der Justiz mit dem weiten Feld des Schweigerechts: Peter C. ist nicht irgendein Zeuge. Er ist seit Jahren als Seelsorger in der Justizvollzugsanstalt (JVA) Simonshöfchen tätig.

Pro Jahr 1500 Gespräche mit den Gefangenen

An die 1500 Gespräche führt er pro Jahr mit den Insassen. Klarer Fall: Die Inhalte dieser Gespräche zwischen Seelsorger und Häftling sind vertraulich. Doch in dem Düsseldorfer El-Kaida-Verfahren ist das anders. C. müsse über Gespräche, die er mit einem der Angeklagten führte, aussagen, stellten die sieben Richter des 6. Strafsenats am OLG im September des vergangenen Jahres fest (die WZ berichtete). C. wurden bis zu sechs Monate Beugehaft und ein Ordnungsgeld von 750 Euro angedroht. Ein Seelsorger in Erzwingungshaft? Der Gang zu Deutschlands höchsten Gerichten war programmiert. Anfang der Woche entschied das Bundesverfassungsgericht sinngemäß: Wenn es der Aufklärung der Sache dient, muss der Seelsorger aussagen.

Begründung eines katholischen JVA-Seelsorgers, warum er doch als Zeuge ausgesagt hat.

Größer kann der Druck nicht sein. So trat Peter C. gestern um 9.30 Uhr in den Zeugenstand und gab seinen Widerstand auf. "Ich stehe nicht über dem Recht. Dazu stehe ich, auch wenn es mir schwerfällt", sagte er. Das wiederum war der Beginn eines Lobes des langjährigen Richters Ottmar Breidling. Das Bundesverfassungsgericht habe den Seelsorgern im Strafvollzug "eine klare Rechtslage an die Hand gegeben". Dass es jetzt eine eindeutige höchstrichterliche Entscheidung gebe, sei der Verdienst des Seelsorgers im Zeugenstand. Und: Gefangene seien jetzt nicht mehr in der Lage, Seelsorger unter Druck zu setzen, sagte Breidling.

Für bessere Stimmung sorgte das nicht. Auf die Frage des Gerichts, ob C. seinerzeit für einen der Angeklagten Internet-Recherchen vorgenommen hat, antwortete der Seelsorger mit: "Ja, selbstverständlich." Das wiederum provozierte die Frage des Gerichts, was daran selbstverständlich sei. Antwort von C.: "Das ist alltägliche Praxis in der Seelsorge." Er habe dem Gefangenen seinerzeit dabei helfen wollen, Briefe schreiben und korrekt adressieren zu können (siehe Kasten).

Er habe dem Gefangenen die Adressen-Liste gegeben und später nachgefragt, ob er die Briefe denn auch geschrieben habe. Darauf bekam der Seelsorger seinerzeit ein klares "Nein" zur Antwort.

Um 9.55 Uhr war die Befragung zu Ende. Schlusssatz von Richter Breidling: "Ich hoffe, dass Ihnen weitere solcher schwierigen Situationen erspart bleiben." Peter C. antwortete: "Das wünsche ich mir auch." Rechtsanwalt und Zeugenbeistand Michael Kaps bezog anschließend eindeutig Stellung: "Die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist ein schwerer Schlag für die Seelsorge im Strafvollzug."

Die Diskussion dürfte noch lange nicht zu Ende sein. So sah das OLG gestern zwar von der Beugehaft für den Seelsorger ab, will aber nach wie vor von dem 45-Jährigen 750 Euro Ordnungsgeld haben.

Dagegen will Rechtsanwalt Michael Kaps vorgehen. Das Erzbistum Köln - ihm ist Peter C. unterstellt - kommt übrigens derzeit nicht als Finanzier des Betrages in Frage. Pressesprecher Stephan Schmidt verwies gestern auf die altbekannte Haltung des Bistums: "Wir haben ihm überlassen, ob er aussagen will oder nicht. Es war seine Entscheidung." Insofern gebe es jetzt auch keinen Anlass, die 750 Euro zu bezahlen.

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