Tausende Wuppertaler machen sich jedes Jahr selbstständig

Wer sein eigener Chef sein möchte, muss jede Menge Formalitäten und Regeln beachten.

Wuppertal. Mehr Geld, Unabhängigkeit, endlich der eigene Chef sein — die Gründe für den Schritt in die Selbstständigkeit sind vielfältig. Bei der Wuppertalerin Lea Strötgen kamen mehrere Dinge zusammen. Die 27-jährige Goldschmiedin wollte nicht mehr nur Aufträge für andere ausführen, sondern selbst aktiv werden.

Ihr Ziel ist eine eigene Werkstatt mit Kursen, in denen Menschen Trauringe oder Schmuck nach Anleitung selbst schmieden können. Bis es soweit ist, liegt noch ein langer Weg vor der jungen Frau: Industrie- und Handelskammer, Gewerbeamt, Arbeitsagentur oder die Handwerkskammer wollen ausgefüllte Formulare, Konzepte und Bestätigungen sehen.

Mit ihrer Idee, sich selbstständig zu machen, steht Lea Strötgen nicht allein da. „Wuppertal ist ein sehr aktives und kreatives Pflaster, die Gründerlandschaft ist in Bewegung“, meint David Brabender, Diplom-Ökonom und Existenzgründungs-Berater. Laut Industrie- und Handelskammer (IHK) meldeten 3663 Menschen im Jahr 2010 ein Gewerbe an, 2009 waren es 3382 Menschen. „Diese Zahlen sind allerdings nicht ganz eindeutig“, sagt Thomas Grigutsch von der IHK. „Zum einen enthalten sie nicht die Anzahl derjenigen, die freiberuflich arbeiten, zum anderen sind hier auch Ummeldungen durch Umzüge oder ähnliches berücksichtigt.“

In Wuppertal — ähnlich wie in anderen Städten — sei es vor allem der Dienstleistungsbereich und die Gastronomie, in der die meisten Gründungen stattfänden. „Im verarbeitenden Gewerbe gab es 2010 gerade einmal 69 Gründungen in Wuppertal“, weiß er.

Und längst nicht alle sind mit ihrem Konzept erfolgreich. Den Gewerbeanmeldezahlen stehen entsprechende Abmeldezahlen gegenüber: 2010 machten 3089 Menschen einen Rückzieher, 2009 waren es 3132. Aber auch diese Zahlen sind mit Vorsicht zu genießen. Grigutsch: „Abmeldungen können auch altersbedingt erfolgen, durch Familiengründung oder durch den Übergang in ein Angestelltenverhältnis.“

Scheitern Existenzgründungen schon nach wenigen Jahren, sei dies meist finanziell begründet. Grigutsch erinnert sich in diesem Zusammenhang an einen Handwerker, der knapp kalkuliert hatte und dem nach einem halben Jahr eine Maschine kaputtging. Reparaturkosten von 1500 Euro hatte er in seiner Kalkulation nicht eingeplant, er konnte das Geld nicht aufbringen und scheiterte.

Ein anderes Problem liege laut Grigutsch häufig darin, dass Existenzgründer sich nicht genügend über den Markt und über mögliche Konkurrenten informierten oder — als weitere Ursache — dass das notwendige kaufmännische Wissen fehle.

„Der Satz, ’um solche Sachen kümmert sich mein Steuerberater’, lässt mir die Haare zu Berge stehen“, sagt Diplom-Ökonom Franz Reinartz. In einem Seminar für Existenzgründer informiert er in diesen Tagen 16 künftige Unternehmer über ihre Rechte und Pflichten. Nicht wenige blicken bei seinen Worten schuldbewusst nach unten. Eine Idee, einen Traum haben sie alle. Die meisten haben auch die nötigen Unterlagen, Umsatzvorschauen, Kapitalbedarfspläne und Rentabilitätsrechnungen. Oft sind es jedoch Kleinigkeiten, die verunsichern.

Sarah Erfkamp wird nächstes Jahr wohl schon fast ihr einjähriges Ladenjubiläum feiern können. Die Wuppertalerin wird heute ihren Blumenladen in Solingen-Gräfrath eröffnen. „Als ich hörte, dass der Laden in dieser Lage leer steht, wusste ich, dass das meine Chance ist“, erklärt sie den Grund für den Standort Solingen-Gräfrath. Pünktlich zum Muttertag soll es losgehen, bis dahin richtet die 25-Jährige ihren Laden her, pendelt zwischen Steuerberater, Handwerkskammer und Krankenversicherung. „Das schlimmste ist diese Unwissenheit am Anfang. Man weiß nicht, wer zuständig ist, was man zuerst machen muss und woran man überhaupt denken muss.“ Mit Hilfe von Beratungsstellen, dem Startercenter der IHK und einer Menge Eigenrecherche hat sie nun fast alle Formalität erledigt. Jetzt müssen nur noch die Kunden kommen.

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