Taktikspielchen

Allzu überraschend ist es nicht, dass die Landesregierung aus CDU und FDP im Wettbewerb Internationale Gartenausstellung (IGA) im Ruhrgebiet gegen Bundesgartenschau (Buga) in Wuppertal dem Ruhrgebiet den Vorzug geben wird.

Das hat schließlich Tradition in Nordrhein-Westfalen. Und es liegt nicht daran, dass das Ruhrgebiet nach dem Zechensterben seinen Strukturwandel immer noch nicht bewältigt hat. Hinter solchen Entscheidungen stecken schnöde machtpolitische Überlegungen. Egal ob die SPD den Ministerpräsidenten in der Mitgliederliste führt oder ob die CDU in der NRW-Staatskanzlei das Sagen hat: Letztlich spielt Parteitaktik die Hauptrolle, wenn es um Millionen-Investitionen geht. Und es geht um Millionen. Die IGA soll das Land bis zu 250 Millionen Euro Kosten und ist dem Ruhrgebiet aus besagten Gründen wohl bereits von Hannelore Kraft (SPD) als Ministerpräsidentin versprochen worden. Die Buga wäre für das Land mit vielleicht 30 bis 40 Millionen Euro erheblich billiger. Aber das ist nebensächlich. Denn es geht ja um Machterhalt. Es geht um Wahlen, auch wenn sie erst für 2022 geplant sind. Und dahinter steckt schlichte Elementarmathematik. Im Ruhrgebiet wohnen deutlich mehr Menschen als im Bergischen Land. Das sind potenziell auch erheblich mehr Wählerstimmen. Das Land der Zechen und Kumpels ist grundsätzlich zwar sozialdemokratisch, aber in Essen und Oberhausen führen CDU-Oberbürgermeister das Regiment. Die wollen unterstützt sein, damit die Stimmung nicht kippt. Hinzu kommen in der Buga-Frage aber auch Wuppertal-spezifische Probleme. Selbst wenn die hiesige CDU der Stadt vorbehaltlos eine Buga gönnte, wäre ihre Überzeugungskraft gegenüber der Landesregierung eher begrenzt. In der Landtagsfraktion sind die Christdemokraten der siebtgrößten Stadt Nordrhein-Westfalens überhaupt nicht mehr vertreten. Da ist es kein Wunder, dass sich in Düsseldorf kaum jemand schert, was die Christdemokraten von der Wupper gern hätten. Aber Wuppertals CDU gönnt der Stadt vorläufig auch deshalb keine Buga, weil die Gefahr zu groß wäre, dass der amtierende Oberbürgermeister Andreas Mucke von der SPD mit einem politischen Erfolg und der Verheißung eines begehrenswerten Großereignisses in den nächsten Kommunalwahlkampf ziehen kann. Machtpolitik eben, Taktikspielchen, nach deren Regeln die Republik seit Jahrzehnten funktioniert und über lange Jahre auch gut funktioniert hat. Aber die Zeiten sind andere geworden. Nichts geht mehr von allein. Auch Wuppertal hat seinen Strukturwandel längst nicht bewältigt und ist selbst im Vergleich mit den wirtschaftlich nicht gerade dynamischen Nachbarn Solingen und Remscheid eine lahme Ente. Schon aus diesem Grund müssten wenigstens die Parteien im Stadtrat die Taktikspielchen nun abpfeifen. Wenn die Bundesgartenschau nicht 2027 nach Wuppertal kommt, weil auch die neue Landesregierung den alten Ruhrgebietstopf weiter mit Geld befüllt, dann muss Wuppertal eben einen Anlauf für die Zeit danach nehmen. Das hätte verschiedene Vorteile: Die Stadt könnte sich auf eine große Anstrengung vorbereiten. Alle Wuppertaler hätten ein gemeinsames Ziel. Und es wäre vielleicht das Ende der politischen Lethargie, die Wuppertal zusehends lähmt. Denn eine Bundesgartenschau ist nicht Blümchen gucken und Rasen mähen, sondern sie ist ein gigantisches Stadtentwicklungsprogramm, das Wuppertal sich allein wahrscheinlich nie mehr wird leisten können. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Und kleine Signale könnten zeigen, dass die Politiker das verstehen. Wie wäre es zum Beispiel, dem Vorschlag der FDP, ja, der FDP zuzustimmen, Grünflächen der Stadt mit Wildwiesen zu besäen, auf das Wildbienen neuen Lebensraum hätten. Der Vorschlag ist gut, obwohl er nach Grün klingt und von den Liberalen kommt. Und mit Gartenschau hat er gewissermaßen auch etwas zu tun.

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