Stuhlaktion: "Ich bin gerne vorne dabei"

Udo Kötting besitzt seit mehr als 50 Jahren ein Abonnement für die Wuppertaler Oper. Jetzt finanziert er drei neue Sessel.

Wuppertal. Eigentlich kennt man es nur andersherum. Dann wollen Eltern ihre Kinder von den Vorzügen von Carmen oder Otello überzeugen und mit Engelszungen in die Oper locken. Doch was macht der Nachwuchs? Er hört lieber auf Madonna oder die Toten Hosen. Da erinnert sich Udo Kötting doch lieber an Zeiten, als er all seinen jugendhaften Charme aufbringen musste, um die eigene Mutter davon zu überzeugen, dass klassische Musik auch in jungen Ohren Wohlklang entfalten kann. So stand der 66-Jährige schon vor mehr als 50 Jahren für das ein, was ihm wichtig ist. Denn als der gebürtige Barmer mit 16 vorschlug, Erwachsene in die Welt von Mozart und Wagner zu begleiten, war das nicht gerade Musik in den Ohren von Mutter Anneliese. "Sie dachte, ich sei zu jung", erzählt Kötting augenzwinkernd. "Ich musste sie regelrecht bezirzen, damit sie mich mitnimmt." Dabei sah der Opernneuling erst einmal alt aus, als er seinen Kleiderschrank inspizierte. "Ich hatte nichts anzuziehen", verrät er mit einem Schmunzeln. "Aus meinem Konfirmandenanzug war ich rausgewachsen." Aber wozu gibt es schließlich Mütter? Dankbar schnappte sich Kötting eine Kostümjacke, die normalerweise auf Frauenkörper gehört, und genoss 1956 seinen ersten Abend im damals gerade wieder eröffneten Opernhaus. Er kam, sah und war begeistert: "Vor allem vom Kronleuchter im Rondell. Alles war so elegant und großzügig." Beste Sicht: Kötting liebt seinen Stammplatz in Reihe eins Apropos großzügig: Der Unternehmer (Creditreform Wuppertal), der dem Konfirmandenanzug so schnell entwachsen war, hat heute die Spendierhosen an. Den Bühnen finanziert er gleich drei Opernsessel auf einmal. "Einen für mich, einen für meine Frau Agnes und einen für meine Firma." Rein symbolisch, versteht sich, denn drei Plätze braucht selbst der größte Opernfan nicht. Insgesamt 284 Stühle sind bislang finanziert. Unter den Spendern ist Kötting ein ganz besonderer. Wer kann schon von sich behaupten, dass er seit 50 Jahren ein Abo für die Wuppertaler Oper besitzt? Kötting kann es. Und ist stolz darauf. Denn obwohl (oder gerade weil) der weit gereiste Geschäftsmann regelmäßig den Blick über den Bühnenrand genießt, "bin ich immer wieder gerne in Wuppertal, auch wenn unser Haus gegenüber der Oper in Sydney zwangsläufig provinziell wirkt". Dass er sich schon jetzt auf die Wiedereröffnung des Opernhauses zum Spielzeitwechsel 2008/09 freut, ist so klar wie seine Meinung über Mozart und Bach. "Ihre Musik ist mir zu zart", sagt der Wagner- und Verdi-Fan, der nach dem Tod seiner Mutter ("Sie liebte den Blick vom ersten Rang") den Sitzplatz gewechselt hat. Seit Jahren ist er "mit großer Freude" Teil der ersten Reihe - mit bester Sicht aus der Mitte. "Ich bin gerne vorne mit dabei, aber nicht aus Eitelkeit." Statt ums Prestige geht es ihm ums Detail: "In der ersten Reihe kann man auf der Bühne allerlei entdecken. Und man ist nah dran am Orchester." Ein idealer Platz also für jemanden, der "gerne die Musiker beobachtet". Vorne mit dabei ist er auch bei der Stuhlaktion. Die unterstützt er nicht nur, weil er ein Zeichen setzen will. Es gibt auch einen ganz praktischen Grund. "Die Opernstühle waren am Ende so durchgesessen, dass ich die Musik nicht mehr so genießen konnte, wie ich es gerne getan hätte", betont Kötting, der schon jetzt dem Tag entgegenfiebert, an dem er auf seinem neuen Stuhl Platz nehmen darf. "Ich möchte wieder ordentlich sitzen, und wenn ich dann auch noch dazu beitrage, etwas Gutes zu tun, dann mache ich das gerne." Fast wäre es dazu nicht gekommen. Nachdem Kötting in der WZ gelesen hatte, dass die Zuschüsse für die Bühnen drastisch gekürzt werden, wollte er seinen Plan über Bord werfen: "Ich habe mich natürlich gefragt, wieso Bürger spenden sollen, wenn die Stadt Zuschüsse streicht." Inzwischen ist der Unmut der Vorfreude gewichen und die Hoffnung groß, dass auch Verena (32) künftig mehr Lust auf Oper hat. Aber wer schon früh seine Mutter überzeugen konnte, sollte an der eigenen Tochter nicht scheitern . . . SPENDENBAROMETER Stühle: 213 158 Euro sind bislang bei den Bühnen eingegangen. Davon werden Sessel für die Oper finanziert, die derzeit saniert wird. Ein Stuhl kostet 750 Euro. Übersicht: Die WZ veröffentlicht regelmäßig den aktuellen Spendenstand.

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