Stadtgeschichte Studenten auf den Spuren von Joseph Goebbels in der Südstadt

Elberfeld. · Der Asta der Uni organisierte eine Führung zur NS-Vergangenheit der Stadt.

Die Unauffälligkeit des Gebäudes steht in deutlichem Kontrast zu der Bekanntheit des einstigen Bewohners. In dem Gebäude an der Holzer Straße – beziehungsweise in dem Vorgängerobjekt, das dort bis zu den Luftangriffen des Zweiten Weltkriegs stand – lebte zwischen 1925 und 1926 Joseph Goebbels. Ob der spätere Reichspropagandaminister und Chefideologe der Nationalsozialisten hier auch schon den „totalen Krieg“ erträumte, den er später in seiner berüchtigten Sportpalastrede fordern sollte, ist bislang nicht bekannt.

Überhaupt ist die Tatsache, dass der ursprünglich aus Rheydt (mittlerweile ein Stadtteil von Mönchengladbach) stammende Goebbels kurzzeitig in Elberfeld lebte, selbst in der Neonazi-Szene wenig bekannt, wie Stephan Stracke vom Verein zur Erforschung der sozialen Bewegungen in Wuppertal am Dienstagabend bei einer Führung erklärte. Auf Initiative des Allgemeinen Studierenden-Ausschusses (Asta) leitete er eine Gruppe von etwa 35 Studenten durch die Südstadt – auf der Suche nach Spuren des Nationalsozialismus in der Stadt.

Insofern war der Start an der ehemaligen Adresse von Joseph Goebbels durchaus angemessen, dürften doch vermutlich die wenigsten Teilnehmer gewusst haben, dass eine später so hochrangige Führungsperson des NS-Regimes einmal in Elberfeld gelebt hat. Dass Goebbels auf seinem Weg nach Berlin quasi hier Zwischenstation machte, war gleichwohl kein Zufall, galt die Stadt doch schon damals als Hochburg der nationalsozialistischen Bewegung, wie Stracke ausführte. Der frühe Anhänger des Nationalsozialismus habe hier Erfahrungen in der Organisation politischer Aktionen gesammelt. Goebbels arbeitete in Elberfeld zudem als Redakteur für eine rechtsradikale Zeitschrift.

Die Wuppertaler Studenten machten eine weitere Station an der Ecke Kiesel- und Gerstenstraße. Dort hat befand sich eine Gaststätte, in der am 9. November 1938 die anti-jüdischen Aktivitäten der Reichspogromnacht vorbereitet wurden, wie Stracke erklärte. In der Herzogstraße und am Wall begannen die ersten Übergriffe, die Synagoge in Elberfeld wurde sogar mit Unterstützung der Feuerwehr angezündet. „Rund 270 Geschäfte und Wohnungen wurden damals angegriffen“, erzählte der Historiker. Doch obwohl sich etliche Personen an den Aktionen beteiligt hätten, seien nach dem Krieg nur vier namentlich bekannte Täter wegen der Vorfälle belangt worden.

Der Widerstand
traf sich in der Gaststätte

Einen Blick auf den Widerstand warf Stracke, als er die Gruppe in die Blumenstraße führte. Dort hat es einmal die Gaststätte „Zum Reichsbanner“ gegeben. Der Name suggeriert schon, dass sich dort die Anhänger des „Reichsbanners Schwarz-Rot-Gold“ trafen, einem 1924 von SPD, Zentrum und der liberalen Partei DDP gegründeten Wehrverband zur Verteidigung der Demokratie. Mit der Machtübernahme durch die Nazis hätten sich dann die Auseinandersetzungen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten sowie Sozialisten verschärft. Es sei immer öfter zu „bewaffneten Aktionen“ gegen Vertreter der Arbeiterbewegung gekommen, sagte Stracke.

Für den Asta sowie die Studentinnen und Studenten war die Spurensuche in der Südstadt eine Premiere. Bislang hätten sie politische Veranstaltungen immer in der Uni organisiert, jetzt sei es das erste Mal, dass man die Hochschule für einen solchen Termin verlasse, erklärte Yannik Düringer, Asta-Referent für Hochschulpolitik, politische Bildung und Soziales. Sie hätten das Thema „Nationalsozialismus“ angesichts der derzeitigen politischen Diskussion gewählt, betonte der Asta-Vertreter. Viele Studenten würden auf dem Weg vom Bahnhof oder der Innenstadt zur Uni durch das Viertel gehen – und damit an den historischen Orten vorbeikommen. Mit der Resonanz zeigte sich Düringer vor allem mit Blick auf das stürmische, aber ansonsten trockene Wetter voll zufrieden.

Angetan von der Führung war auch Max Deter, Promotionsstudent im Fachbereich Volkswirtschaftslehre: „Das war richtig interessant.“ Er habe immer Interesse an Geschichte gehabt. Das sagt auch Timo Krabbe. Der Student für Germanistik und Sport kommt – wie Deter – nicht aus Wuppertal. Für beide war der Rundgang eine gute Gelegenheit, etwas über die Geschichte der Stadt zu lernen.

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