Strahlende Erscheinung am Straßenrand

Es gibt kaum Schöneres als den Frühling. Wenn die Natur erwacht und die Vögel tirilieren.

Bei uns im Tal kann man noch ein anderes Phänomen betrachten, denn selbst auf den Straßen wachsen mittlerweile kleine Bäumchen in Folge des harten Winters aus den Schlaglöchern. Frühling im Asphalt - das macht die Finanzlage der Stadt ziemlich deutlich. Und noch etwas ziert die Stadt zurzeit: die ausgesprochen fantasievollen Plakate der Parteien zur Europawahl. Die SPD zum Beispiel mutmaßt sinnfrei, dass nur Finanzhaie und Dumpinglöhne die CDU und die heiße Luft eines handelsüblichen Haartrockners die Linke wählen würden. Darf mein Fön jetzt wählen? Die CDU hingegen kontert mit sachdienlichen Hinweisen: "WIR in Europa, für den Weg aus der Krise". Ein strahlender, sympathischer Ronald Pofalla blickt voller Zuversicht, kostensparend durch sein Billiggestell ins Leere. Die Grünen kommen selbstbewusst mit WUMS daher, der sehr konkreten Aussage über ihre Ziele. Die Linken verblüffen mit Parolen auf blauem (nicht rotem) Grund. Sie wollen Millionäre zur Kasse bitten, fordern Freiheit und Gleichheit und, wer hätte das gedacht, einen Mindestlohn europaweit. Da freut sich der Rumäne, dessen Mindestlohn derzeit bei 1,20 EURO liegt, sicher einen Ast. Ein Lichtblick ist die wirklich entzückende Dr. Silvana Koch-Mehrin. Schön, eloquent und ohne größere Ambitionen ackert sie zielstrebig für ihren profitablen Arbeitsplatz und nebenbei für die FDP mit dem atemberaubenden Satz "Für ein Deutschland in Europa". Ist das nicht schon jetzt so? Oder haben wir da etwas verpennt? Für die Männerwelt jedoch zählt nur die strahlende Erscheinung am Straßenrand und sorgt an Kreuzungen für gefährliche Frühlingsgefühle. Und hoffentlich nicht zu ebenso gefährlichen Auffahrunfällen. Aber für den Verkehr ist sie ja nun wirklich nicht zuständig.

Wer Politiker und deren Sprechblasen in TV-Polit-Talks nicht wirklich versteht, dem hilft jetzt die Wuppertaler Soziologin Professor Ludgera Vogt. Deren überaus sinnvolles Forschungsprojekt nennt sich "Die doppelte Kontingenz der Inszenierung. Zur Präsentation politischer Akteure in Personality-Talkshows des Deutschen Fernsehens". Das ist doch endlich mal überzeugend. Denn in der Logik bezeichnet die Kontingenz eine Aussage, die sowohl wahr als auch falsch ist beziehungsweise sein kann. Und das nun sogar doppelt! Diese absolut unverzichtbare Untersuchung fördert die Deutsche Forschungsgemeinschaft gerne mit 240000 EURO. So werden Arbeitsplätze erhalten!

Gar nicht mehr zu helfen ist dem Präsidenten des WSV. Kaum den Klassenerhalt unter Ausschluss der Öffentlichkeit erzittert, schon zickt der Friedhelm öffentlich, frei nach dem Motto "Kein Tag ohne Runge", wieder rum mit seinen Millionen. Nicht einmal ein Prozent der Wuppertaler Bevölkerung zieht es ins altehrwürdige Zoostadion, um sich dort Beschimpfungen übelster Art anzuhören (oder sich bestenfalls mit Grillgut bewerfen zu lassen) und nebenbei einem weiteren Grottenkick beizuwohnen. Fußballfreunde kämen auch auf den Scharpenacken, wenn es etwas zu erleben gäbe. "Ein Dach für Nord" heißt die geradezu lächerliche Faninitiative. Ein Schirm tut es auch, denn damit werden Wuppertaler bekanntlich schon geboren. Kostet nix, und mehr ist angesichts der wirtschaftlichen und sozialen Situation unserer Stadt blanker Hohn, Ehrenwort.

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