Werner Kleine weiht in die Geheimnisse von St. Laurentius ein

Dr. Werner Kleine lässt Kirchentradition lebendig werden — in seinen mystagogischen Führungen.

Werner Kleine weiht in die Geheimnisse von St. Laurentius ein
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Still liegt der Laurentiusplatz da, das Kopfsteinpflaster glänzt vom abendlichen Regen. Darauf stehen drei Männer, wartend. Es ist kurz vor 19 Uhr an diesem Donnerstag, und als zur vollen Stunde der Glockenschlag ertönt, fängt einer der Drei an, zu sprechen. Sie hat begonnen, unsere mystagogische Führung in St. Laurentius.

Werner Kleine weiht in die Geheimnisse von St. Laurentius ein
Foto: Fischer, A. (f22)

Mystagogisch verbindet zwei Worte, die, aus dem Griechischen abgeleitet, „Geheimnis“ (mythos) und „führen“ (agein) bedeuten. Früher wurden die Menschen auf mystagogische Weise in den christlichen Glauben eingeführt: indem sie sich die ihnen bislang verborgenen Dinge durch eigenes Erleben erschlossen. Auch wir werden uns nun die Kirche in ihrer kultischen Funktion erschließen.

Pastoralreferent Dr. Werner Kleine bildet die Spitze unserer kleinen Gruppe, die sich in Richtung Eingang in Bewegung setzt. Er hat ein Buch aufgeschlagen, aus dem er mit klarer Stimme singt. Psalm 122.

Wir steigen die sechs Stufen zu St. Laurentius hinauf und treten über die Schwelle. Damit haben wir den profanen Raum (lateinisch, pro: vor, fanum: heiliger Bezirk) verlassen, stehen jetzt im heiligen Bereich.

Zu diesem „Versammlungsort Gottes“ gibt Kleine viel Interessantes preis, etwa zu Form und Funktion des Taufbeckens, Symbolik der heiligen Zahlen und Arten des Kirchenbaus. St. Laurentius, in die rund 1000 Menschen passen, ist eine Wegekirche. Auf dem Mittelgang geht die Gemeinde bei jedem Kommuniongang dem Auferstandenen entgegen.

Auch der Pastoralreferent lädt nun zur Prozession: Gemeinsam gehen wir, eingerahmt von den dunklen Gebetsbänken, in Richtung Altar. Erneut begleitet uns Gesang: Kleine singt feierlich einen weiteren Psalm. Er handelt vom Weg der Pilger zu Gott.

Der Luftzug, der durch den hohen Raum weht, ist kühl, mit einer Andeutung von Weihrauch-Duft. Die schwarzen und weißen Quadrate auf dem Steinboden schimmern matt. Wir sitzen in der ersten Gebetsbank-Reihe, ihr Lack ist zerkratzt, das Polster dünn.

Vor uns ragt der Ambro, auf, der „Altar des Wortes“. Eine Herleitung basiert auf dem griechischen „ambanein“ (emporsteigen): Hierhin steigt man hinauf, um das Wort Gottes zu verkünden.

Der Wort-Altar ist beinahe schmucklos, das weiße marmorierte Holz deutet in seiner Form eine Papyrus-Rolle an, der Gemeinde zugewandt ist ein goldener Adler. Seine gespreizten Flügel reflektieren das Licht des Kronleuchters. Scharfe Augen hat der Raubvogel, wenn er aus der Höhe die Welt beobachtet - genauso aufmerksam sollen die Menschen auf das Wort Gottes schauen.

Wir stehen jetzt am eigentlichen Altar, dem Thron Gottes. Streng genommen, so erfahren wir, wird nur die in den Holztisch eingelassene Steinplatte als Altar bezeichnet, auf der fünf kleine Kreuze die Kreuzigungs-Wundmale Jesu symbolisieren. Wieder gibt Kleine Elementen aus dem Gottesdienst ein Gesicht: der Kernbotschaft des vom Priester gesprochenen Hochgebetes, der Reliquie - dem Knochensplitter unter dem Altar.

Aus einer abgegriffenen Bibel liest Kleine die Geschichte des Manna-Wunders vor, lässt uns von der ungewöhnlichen Milchzucker-Stärke-Verbindung kosten. Süß schmeckt es, das Manna, und fühlt sich rau an, wie Kieselstein-Splitter.

Das Weihrauch-Harz, das wir an der nächsten Station, dem Tabernakel, berühren und auf glühende Kohle legen dürfen, ähnelt optisch einer Mischung aus Kandiszuckerstücken und Popcorn. Das Harz verdampft, der weiße, aufsteigende Rauch duftet leicht fruchtig. Mit ihm dürfen wir unseren Dank an Gott schicken - und unsere Ängste. Ein schönes Ritual.

Bevor die mystagogische Kirchenführung nach etwa einer Stunde zu Ende geht, führt uns der Pastoralreferent zurück zum Altar. Jeder bekommt eine schlanke weiße Kerze in die Hand, die Kleine am Feuer der großen Osterkerze entzündet: „So, wie das Licht die Dunkelheit vertreibt, hat Christus den Tod besiegt“, sagt er. Unser Symbol des Lichts dürfen wir mit nach Hause nehmen — und zusammen mit unseren zahlreichen neuen Eindrücken weitertragen.

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