Müllers Marionettentheater: Marionetten selbst kreiert

Zwischen bunt und düster: In Müllers Marionettentheater konnten Damen ihre eigenen Puppen bauen.

Müllers Marionettentheater: Marionetten selbst kreiert
Foto: Andreas Fischer

Elberfeld. Der hochdramatische Sopran der 2005 verstorbenen schwedischen Sängerin Birgit Nilsson in Verdis Oper „Macbeth“ untermalte die eher fröhliche Arbeit an fünf Puppen in Müllers Marionetten-Theater am Neuenteich in Elberfeld. Die aufwühlenden Klänge der musikalischen Tragödie waren die geeignete Begleitmusik für das „Experimentelle Theaterfiguren Bauen“, das an vier Tagen in dieser Woche für jeweils vier Stunden recht profane Materialien in Protagonisten aus dem blutigen Drama von William Shakespeare verwandeln soll.

Fünf Damen kamen am Montagnachmittag zusammen und machten sich unter der Leitung des Künstlers Markus Welz ans Werk, skizzierten erst ihre späteren Kreationen und begannen dann das Grundgerüst zu formen. Aus Karnickeldraht, der einerseits beweglich, aber andererseits auch recht formstabil ist. Statt hoppelnde Vierbeiner zu umzäunen, wurden nun die abgrundtief böse Lady Macbeth, König Duncan, Wald von Birnam und die drei Hexen geformt, die zum Beginn der Tragödie mit Blitz und Donner auf der Bühne erscheinen.

Da drei Hexen natürlich auch dreifache Arbeit bedeuten, hatte Birte Rüster das bösartige Wesen noch gespenstischer, nämlich mit drei Köpfen geformt. Wobei alle fünf Damen den Rat von Theaterchefin Ursula Weißenborn — „Das Böse ist leichter darzustellen als das Gute“ — beherzigten und alles andere als liebenswerte Puppen formten.

Nach dem Drahtgerüst wurde die WZ in den Dienst der Kultur gestellt: Bereit liegende Zeitungen wurden in kleine Rechtecke zerschnippelt, mit Leim bestrichen und auf die Drahtskelette gekleistert. Egal, ob Sport, Lokales oder Politik, alles wurde dem höheren Zweck, nämlich der königlichen Unterwäsche von Lady Macbeth oder dem Roy of Scotland, untergeordnet. Trotz bedrohlicher Klänge aus dem Recorder und der Arbeit an den tragischen bis bösartigen Gestalten, es wurde fröhlich gelacht und immer wieder an aufgespießten Weintrauben-Käse-Häppchen, Crackers und Obst genascht. Schließlich dauerte die Kreativ-Phase an den vier Abenden stattliche vier Stunden. Kein Problem aber auch für Petra Sommer, im Zivilberuf Erzieherin, die ihre Lady in besonders dämonischer Haltung formte.

„Wieso nahmen eigentlich nur Damen teil?“ Ursula Weißenborn kennt die Antwort. „Frauen sind einfach neugieriger und werden von solchen Kursen mehr angesprochen als Männer.“ Der „WZ-Phase“ folgt die Klebearbeit mit zweckentfremdeten Kassenrollen. Die weißen Streifen sind schmaler und bilden zusammen mit dem drahtigen Untergrund und den Zeitungsschnipseln eine gut formbare Masse, die die zukünftigen Theaterfiguren schon erkennen lassen.

So wie bei Stefanie Karrenberg, die ihren König in vollem Ornat mit Hermelinkragen und Krone kreiert hat. „Da oben wird noch Goldpapier eingeflochten“, erklärte sie während der Schaffensperiode. Dorothea Thoböll, Schulleiterin, unterrichtet Mathematik und hat ihren Hauptmann, der bei Shakespeare seine Soldaten mit Ästen getarnt anschleichen lässt, mit Präzision geformt. „In den Arm kommen gleich noch die Zweige“, meinte sie kurz vor der Vollendung, während die Luft erfüllt ist von Verdis Musik aus „Ein Maskenball“. „Rigoletto“ und „La Traviata“, weitere Werke von Giuseppe Verdi, inspirierten während der gesamten vier Abende das kreative Quintett, das nach Kleistern und Kleben mit „Kreidegrund“ grundiert.

Angerührt wird die „Pampe“ von Kursleiter Markus Welz, der ebenso wie Ursula Weißenborn mit Freude sieht, wie auch Regina Schneider, die die Lady Macbeth in königlicher Haltung porträtiert, ihr künstlerisches Talent entfalten und natürlich auch gern Ratschläge annehmen. Geformt, beklebt, grundiert, da fehlt den fantasievollen Figuren nur noch die Farbe. „Acrylfarben verwenden wir“, so Markus Welz. Fröhlich bunt, aber dem Trauerspiel entsprechend,auch düster und trist schwarz, das bleibt dem Geschmack der „Puppenmütter“ überlassen. Die sehen nach 16 Stunden mehr oder weniger zufrieden auf das Werk ihrer Hände, das sicher einen Ehrenplatz im heimischen Wohnzimmer bekommen wird.

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