Katernberg: Leere Worte zum Lärmschutz

Friedrich Rawe ist betroffener Anwohner und kennt das ewige Tauziehen an der A 46 wie kaum ein anderer: Er blickt zurück – und lädt den Landesbetrieb einmal zu sich nach Hause ein.

Varresbeck/Brill. Da liegt er, der Aktenordner, auf dem Wohnzimmertisch. Gefüllt ist er mit Briefen und Zeitungspapier - allesamt zu einem Thema: Lärmschutz für den Julius-Lucas Weg. Der Besitzer des Ordners heißt Friedrich Rawe, ist 80 Jahre alt und wohnt seit 1964 auf dem Hanggrundstück, das einst zum Briller Viertel gehört und jetzt an einer der heikelsten Autobahnen im Bundesgebiet liegt.

"Solange die Fenster geschlossen sind, ist alles in Ordnung", sagt der Wuppertaler, der lange Jahre als Ingenieur gearbeitet und federführende Bauprojekte in der Stadt mit entwickelt hat. Dann legt Rawe den Aktenordner zur Seite und öffnet das Fenster.

Das Donnern und Dröhnen, das sich durch die Baumreihen den Hang hinauf schleppt, beantwortet jede weitere Frage und stammt von einer Autobahn, die einst die Bundesstraße 326 und niemals für Belastungen dieser Größenordnung ausgelegt war. "Früher war von 72000 Fahrzeugen pro Tag die Rede", erinnert sich Rawe. "Mittlerweile sind es mehr als 90000."

Schon damals habe es an führender Stelle im Fernstraßen-Neubauamt in Barmen erhebliche Bedenken gegeben, als es darum ging, aus der Bundesstraße eine Autobahn zu machen - zu große Steigungen, zu große Radien und zuviele Wohngebiete in der Nähe. "Damals hieß es, dass wir eine Entlastung für die B 7 brauchen, eine Autobahn mit vielen Abfahrten, damit Leute von auswärts in die Stadt kommen", erinnert sich Rawe.

Die politische Entscheidung - damals unter Federführung von Johannes Rau - will Rawe nicht weiter kommentieren. Ihm und seinen Mitstreitern, die seit etlichen Jahren vergeblich warten, geht es nach wie vor nur um eines: Lärmschutz.

Dann öffnet Rawe seinen Aktenordner. Unter den Briefköpfen von Behörden und Ministerien stehen Termine und Zusagen, die allesamt verstrichen sind, "ohne dass etwas geschehen ist". Dabei sollte der Abschnitt der A46 bereits im Jahr 1995 komplett übertunnelt sein, um die Anwohner zu schützen. "Stattdessen wurde die Belastung durch den Verkehrslärm immer größer."

Anfang 2002 kamen dann sechs Meter hohe Lärmschutzwände für den Julius-Lucas-Weg an der A 46 ins Spiel. Rawe: "Das würde aber nur etwas bringen, wenn diese Wände oberhalb der Autobahn aufgestellt werden - unmittelbar an unseren Grundstücken."

Doch es fehlt an Platz: Einen entsprechenden Schutzstreifen von fünf Meter Breite, wie er einst geplant war und der jetzt für die Montage der Wände in Frage käme, wurde niemals eingerichtet. Das räche sich jetzt, fügt Rawe hinzu: "Da hätte man wunderbar einen Lärmschutz errichten können.

Über Probleme am Steilhang oberhalb der A 46 hat die WZ bereits vor Jahren berichtet: Dass der Untergrund nach wie vor arbeitet, hat auch Rawe nach eigenem Bekunden erlebt: Er installierte einen großen Wintergarten, um wenigstens den Schlafbereich vor dem Autobahnlärm zu schützen. Hinzu kamen Spezialfenster - damals für mehrere tausend D-Mark, die der Wuppertaler aus eigener Tasche bezahlt hat. Am Wintergarten habe sich der Untergrund ebenfalls bewegt - und Schäden hinterlassen.

Dass Bäume oberhalb der Autobahn Lärm abhalten, sei ein Trugschluss, erklärt Rawe, der als Ingenieur unter anderem auch Schießstände für die Polizei konzipiert hat. Bepflanzungen schützten allenfalls vor Staub: "Nur Masse hält den Lärm wirklich ab." Der 80-Jährige betont, dass er nach wie vor gerne Wuppertaler ist. "Fest steht aber auch, dass die Bundesstraße niemals die Dimensionen hatte, um sie zu einer Autobahn zu machen", fügt er mit Blick auf die Verkehrspolitik der autofreundlichen 70er Jahre zurück, als die A 46 aus der Taufe gehoben wurde.

Umso wichtiger sei es, nach wie vor für Lärmschutz zu sorgen. Und Rawe geht noch weiter: Er würde sich freuen, einmal mit einem Vertreter des zuständigen Landesbetriebs für Straßenbau zu sprechen - in seinem Wohnzimmer. "Gerne auch bei geschlossenen Fenstern: Die Einladung steht." Denn der Name der Wohnsiedlung, in der Rawe und seine Mitstreiter zu Hause sind und seit vielen Jahren den Lärm ertragen, ist am Julius-Lucas Weg Programm: "Gute Hoffnung."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort