Höhenrettung: Eine Übung mit schweißnassen Händen

Beim Heizkraft an der Kabelstraße proben WSW und Feuerwehr den Ernstfall und retten einen Dummy, der in 18 Metern Höhe an einem Strommast hängt.

Elberfeld. Da hängt er: namenlos, hoffnungslos, leblos. Ein Glück nur, dass dieser Zustand völlig normal ist für einen Dummy. In 18 Metern Höhe baumelt die Puppe an einem Strommast auf dem Gelände der Wuppertaler Stadtwerke (WSW) an der Kabelstraße. Rein theoretisch könnte es sich um einen verunglückten Techniker handeln. Also ist es den WSW ein Anliegen, sich auf den Ernstfall per Übung vorzubereiten.

"Wir proben in regelmäßigen Abständen in Kooperation mit der Feuerwehr die Höhenrettung", sagt Michael Ellenbürger von den WSW. Die Feuerwehr ihrerseits nutzt die Gelegenheit, um den Nachwuchs auszubilden.

"Person im Mast, Heizkraftwerk Kabelstraße." Mit diesem Notruf beginnt das Manöver, und schon drei Minuten später trifft der Rettungstrupp ein. Bis hierher läuft alles glatt, aber die Uhr tickt. "Wir müssen es in 20 Minuten schaffen", sagt Feuerwehreinsatzleiter Jürgen Nessler, ein alter Hase, dem nur noch eines so richtig Angst bereitet: wenn es gilt, einen Selbstmordgefährdeten zu retten, weil dies höchste Risiken für alle Beteiligten bedeutet.

Dem Dummy indessen droht, wenn er denn ein Mensch aus Fleisch und Blut wäre, ein Trauma mit bleibenden Schäden oder gar tödlichem Ausgang. 20 Minuten sind dabei ein Erfahrungswert für die Frist, in der sich das Schlimmste noch abwenden lässt. Mit diesem Bewusstsein steigt Feuerwehrmann Stefan Kirscht auf die erste Sprosse des Mastes und hangelt sich hoch an eine Notleiter, die an die Stahlkonstruktion geschraubt ist.

Kritisch und mit gelegentlichem Blick auf die Uhr verfolgt Nessler das Geschehen. "Die Schrauben tragen nur 80 Kilo", bemerkt er, als Kirscht den Sicherungshaken an einer Stufe der Leiter befestigt. Ein grober Fehler, denn bei einem Sturz wäre diese Tragkraft zu gering.

Selbst bei der Übung kann ein Ausrutscher nicht ausgeschlossen werden, könnte es passieren, dass ein Retter mehrere Meter tief stürzt und mit dem Gesicht auf die Sprossen schlägt. Bei dieser grauenhaften Vorstellung bekommen auch Zuschauer am Boden schweißnasse Hände. Die Experten debattieren derweil, mit welcher Strategie sie am schnellsten beim Opfer wären.

Auf dem Ausleger angelangt, wählt Kirscht nicht den glücklichsten Weg, verliert wertvolle Minuten, weil er immer wieder das Sicherungsseil neu knoten muss. Er habe zu viel Zeug dabei gehabt und vor lauter Bandschlingen das wichtigste Seil nicht mehr sehen können, sagt Kirscht später, als er mit dem Dummy am Boden und die Übung abgeschlossen ist.

Um 10.55 Uhr hatte der Rettungsdienst das Opfer übernommen - 20 Minuten zu spät. Aber nach der Übung weiß er, was im Ernstfall zu tun ist: ohne Sicherung die Leiter hoch, auf der Traverse außen halten und überflüssiges Gerät unterwegs deponieren. "So wäre es rechtzeitig zu schaffen", versichert Nessler.

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