Eine Liebeserklärung an den Ölberg in Buchform

Christiane Gertz hat die Geschichte des Ölbergs aufgeschrieben.

Eine Liebeserklärung an den Ölberg in Buchform
Foto: Andreas Fischer

Wuppertal. Cool und spannend fand Christiane Gertz den Ölberg bei ihrem ersten Besuch in den 1980er Jahren. „Es sah damals nicht besonders aus. Aber es hatte Ausstrahlung“, erinnert sie sich. Jahre später kehrte sie zurück und blieb. Ihrer Liebe zu dem Viertel hat sie sogar ein Buch gewidmet: „Der Ölberg — mein Kiez“.

Für ein Schulprojekt wollte die damals 13-Jährige eine Fotoreportage in der Stadt machen. Ein skeptischer Lehrer mahnte, sie solle bloß nicht auf den Ölberg gehen. Was sie, die aus Solingen zugezogen war, erst recht neugierig machte. „Damals gab es noch viele Fachwerkhäuser und Kopfsteinpflaster, überall blätterte die Farbe ab“, erklärt sie und zeigt Fotos von Hinterhöfen voller Schutt. „Das Viertel hatte nicht den besten Ruf.“

Sie behielt die Entwicklung in dem Quartier im Auge. War fasziniert, als Künstler leerstehende Ladenlokale als Ateliers nutzten. Im Jahr 2000 zog sie selbst dorthin. Und arbeitet als studierte Übersetzerin auch dort. Ihr gefällt „dieses Kiez-Gefühl“: Dass der Ölberg ein in sich geschlossenes Viertel ist, sehr nachbarschaftlich. Man wohne zwar eng, aber es sei „nie langweilig“.

„Die Zündung“ für das Buch „kam wohl beim ersten Ölbergfest“, überlegt sie. 2005 luden die Bewohner den Rest der Stadt ein, stellten Tische und Stühle auf die Straße und öffneten ihre Hinterhöfe. Sie saß an dem Abend lange mit einem Bewohner zusammen, der „schon immer“ auf dem Ölberg wohnte und viele Geschichten zu erzählen hatte.

Unter anderem dass der Ölberg ein altes Arbeiterviertel ist, das aber den schicken Baustil des Briller Viertels nachahmte: „Es gibt Fassaden, die aussehen wie aus Stein, tatsächlich aber aus Holz sind.“ Durch Gespräche mit anderen Bewohnern erfuhr sie mit der Zeit immer mehr über den Ölberg. „Irgendwann dachte ich: ,Das musst du mal aufschreiben.’“

2009 fing sie ernsthaft mit dem Buchprojekt an, wühlte sich durchs Stadtarchiv, studierte im Katasteramt alte Karten: „1870 begann es mit der Bebauung, in der Hochzeit der Industrialisierung ging es ganz schnell. Deshalb ist alles in einem Stil erbaut.“

In den 1960ern war ein Abriss im Gespräch, „nach der Akte dazu habe ich wie ein Agent gejagt“, erzählt sie. Erst nach langem Recherchieren wurde sie fündig.

Sie sprach Menschen an, befragte Ladenbesitzer, suchte im Internet nach Kontakten. Eine alte Bewohnerin erzählte ihre Geschichte, aus Belgien meldete sich ein ehemaliger Wuppertaler, schickte Briefe und Fotos. Sonst gab es wenige Bilder: „Wer hat in einem Arbeiterviertel schon fotografiert?“, doch immer wieder fanden sich welche. Auch ihre eigenen Bilder aus dem Schulprojekt konnte sie verwenden.

Nach vier Jahren war das Buch fertig: locker erzählt und informativ. Christiane Gertz schildert ihre Forschungen, lässt Bewohner zu Wort kommen und schildert die Geschichte des Ölbergs von „Die ersten Ölberger“, über „Pisspötte auf die Nazis“, „die Siebziger“ bis „Der Ölberg heute“. Sie berichtet über die Zeit der Hausbesetzungen und die Wandlung zum Künstlerviertel und den Denkmalschutz. Und macht sich Gedanken über die Zukunft des Viertels, in dem heute „ein buntes kreatives Völkchen“ lebe. Ihr Fazit: „Bleibt so!“

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