Auf den Spuren der Nazi-Gegner

Der Historiker Michael Okroy erinnerte bei einem Rundgang an Gräueltaten des NS-Regimes vor 80 Jahren — und an die Opfer.

Ölberg. „Am 26. Februar führte ein Propagandamarsch der NSDAP von Vohwinkel aus entlang der Talachse. Es herrschte eine bürgerkriegsähnliche, aufgeladene Stimmung. Trupps lösten sich aus der Gruppierung und zogen in die Wohnviertel. In der Wirkerstraße kam es genau auf Höhe der Hausnummer 26 dann zu einem fatalen Zusammenstoß: KPD-Anhänger beschossen den Trupp. Es kam zu einer wilden Schießerei, einem regelrechten Kampf zwischen Nationalsozialisten und KPD-Anhängern. Drei sind am Ende tot.“

Es war eine dramatische Zeit in Wuppertal, die Zeit der Nazi-Machtübernahme vor 80 Jahren. Solche Episoden, wie die oben zitierte, standen im Mittelpunkt eines Rundgangs mit dem Historiker Michael Okroy auf dem Ölberg. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Es lebe die Freiheit — 80 Jahre Konzentrationslager Kemna“ blickte Okroy auf die Geschichte der damaligen Arbeiterhochburg, in der die Nazis im Jahr 1933 besonders auf Razzien, Gewalt und Verhaftungen setzten, um ihre neue Herrschaft durchzusetzen.

So blickte Okroy am Sonntag auf ein Stück Stadtgeschichte, die geprägt ist von mutigen Aktivisten, Verrat, Aufenthalten im KZ Kemna und Mord. Die Tour begann am evangelischen Vereinshaus an der Kasinostraße — dieses heute so unscheinbare Gebäude beherbergte um 1933 nicht nur das Polizeipräsidium — in seinem Saal trafen sich mit Billigung der Hausherren auch antisemitische Gruppierungen. Hitler selbst war dort zweimal zu Gast; in den frühen 1920er Jahren war es die Hochburg der NSDAP in Elberfeld. Von dort aus war nicht nur für die Rundgangsteilnehmer der Weg kurz auf den Ölberg, Elberfelds linke Hochburg. An heute unscheinbaren Ecken haben sich damals Dramen abgespielt.

Auf einem Parkplatz am Hombüchel etwa stand einst das Wohnhaus 44b, das Zuhause des Sozialdemokraten Fritz Brass. Er ist eine schillernde, aber heute fast vergessene Figur im Wuppertaler Widerstand gegen das NS-Regime. „Brass war jemand, der sich den Mund nicht verbieten ließ und außergewöhnlichen Mut hatte“, sagte Okroy über den gelernten Maler, von dem nicht einmal eine Fotografie erhalten ist. 1933 schrieb Brass ein Gedicht mit direkter Kritik an Hitler und seinen Amtsvorgängern, unterschrieb mit seinem eigenen Namen und hängte es im gesamten Stadtteil auf.

Ein Radfahrer sah es und verriet ihn — Brass kam ins KZ Kemna, wo er mehr als 100 Tage in Haft saß und gefoltert wurde. Über seine Erlebnisse schrieb er einen in Objektivität und Detailreichtum einmaligen Bericht, der den Krieg und Brass’ Tod im KZ Mauthausen überdauerte.

Weitere Stationen des Rundgangs: Die einstigen Häuser Oskar Hoffmanns und Otto Böhnes — prominente linke Politiker ihrer Zeit, die von den Nazis gejagt und gequält wurden. Zur Erinnerung: Es war Oskar Hoffmann, der im Jahr 1929 vorschlug, die Stadt nach der Vereinigung von Barmen, Elberfeld, Vohwinkel, Ronsdorf und Cronenberg Wuppertal zu nennen.

Die Führung endete am Ort der Ermordung Oswald Laufers auf der Wilhelmstraße. Laufer wurde dort am 7. März des Jahres der Machtergreifung Hitlers (1933) von fünf SA-Leuten getötet — eine Tat, die nicht bestraft wurde. Nur ein Kapitel aus dem Wuppertal der frühen 1930er Jahre, von dem der Historiker Okroy einen beklemmend plastischen Eindruck vermittelte.

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