Platt Die Gralshüter des Cronenberger Platts

Die Obrams halten die Mundart hoch - doch die Herren suchen dringend Nachwuchs.

Platt: Die Gralshüter des Cronenberger Platts
Foto: Fries, Stefan (fri)

. An jedem ersten Freitag im Monat sieht man in der engen Schorfer Straße, wo Cronenberg noch an alte Zeiten erinnert, genauer gesagt im „Café Born im Hause Cleff“, rund ein Dutzend Herren im würdigen Alter. Gekleidet in blauer „Arbeitsjuppe“, rotem Halstuch und einer zylinderähnlichen Kopfbedeckung mit Mützenschirm, die sich in einer Sprache unterhalten, die für den Außenstehenden nur schwer, oder sogar gar nicht verständlich ist.

Es handelt sich um die „Obrams“, die Gralshüter des Cronenberger Platts, die in fröhlicher Runde sprachliche Heimatpflege betreiben. In der Kleidung, die einst die Schleifer und Schmiede im traditionellen Cronenberger Handwerk getragen haben.

Die Kopfbedeckung, die „hue siedene Kapp“ (hochseidene Kappe) wurde allerdings in alten Zeiten nur am Sonntag aufgesetzt, wie Thomas Graap, im Zivilberuf Elektriker, erklärt. Mit zarten 55 Jahren ist er der Benjamin im munteren Kreis. Während der Senior Herbert Klärner schon stolze 91 Lenze zählt, aber immer noch ein gewichtiges Wort mitzureden hat am Stammtisch.

Die „Obrams“ haben ihren in Cronenberger Mundart übersetzten Namen von Abraham, dem biblischen Stammvater. „Das war früher in Cronenberg ein gebräuchlicher Vorname für Jungen“ erklärt Ernst Aas (88), der einstige Schleifer mit dem Spezialgebiet 90-Grad-Winkel, dessen Rat im Betrieb immer noch gefragt ist.

Gegründet wurde der Stammtisch der Obrams 1976, als eine Gruppe um Harald Biedebach beschloss, die überlieferte Sprache der Alteingesessenen im „Dorp“ nicht sterben zu lassen. „Ich bin Mitglied Nummer zwei, die Nummer eins war mein Onkel Erwin, der aber nicht mehr lebt“, verrät der Ehrenvorsitzende. Inzwischen wurde die Nummer 53 an Jürgen Kopruck vergeben, wobei der gesamte Kreis nur noch 15 Stammtischbesucher zählt.

Die Dorper Mundart wurde auch nach dem Zweiten Weltkrieg noch allgemein gesprochen, und Heinz Kreitz erzählt von seinem Vetter, der Ende der 1940er Jahre bei seiner Einschulung natürlich erwartete, das „dat Frollein“, die Lehrerin nämlich, mit ihm selbstverständlich Platt zu „kallen“ habe. Der Überlieferung nach, soll er sich aber nicht durchgesetzt haben.

Mit dem Nachwuchs für die Runde der Obrams sieht es eher trübe aus, da geben sich die Herren keinen Illusionen hin. „Nach uns kam eine Generation, in der es als ordinär und verpönt galt, in Mundart zu reden“, bedauert Thomas Graap. „Deshalb ist das Platt auch nicht mehr gepflegt worden und fast ausgestorben.“ Wobei Ernst Aas darauf hinweist, dass sich bei ihm im Betrieb noch in Mundart unterhalten werde.

Wer tatsächlich noch ein Obram werden will und auch menschlich in die Runde passt, muss eine Aufnahmeprüfung bestehen, in akzentfreiem Platt und mit fehlerfreien Übersetzungen vom Hochdeutsche ins heimische Idiom natürlich.

Ein bisschen Nachhilfe gibt da das „Obrams Liederbuok“ mit 16 Liedern wie „derr aule Orgelskäl“, „derr dolle Obram“ und der Cronenberger Hymne „wo schwatt witt grüon die Hüser“. Durchweg vertonte Liebeserklärungen nicht nur an Cronenberg, sondern auch mit „Du mien heriechet Langk, du mien Bergeschet Langk“ ans gesamte Bergische Land.

Gesungen wird oft und gern, und wenn einer eine Geburtstagsrunde gibt, dann darf der sich dann ein Lied wünschen, das von allen aus markiger Kehle geschmettert wird. Und zum Abschluss erschallt danach laut und vernehmlich der donnernde Ruf: „Obrams kallt platt, Obrams kallt platt, Obrams kallt platt.“

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