Stadtteilspaziergänge (8): Das Kleinod in Wuppertals Osten

Die Gemeinschaft wird noch groß geschrieben, jeder kennt noch jeden und feiert gemeinsam Traditionsfeste.

Beyenburg. Der Berg ruft. 100 Meter Höhe sind zu erklimmen. Dann steht man auf dem Bilsteinkopf, 285 Meter über dem Meeresspiegel. Der Ausgangspunkt an der Wupperbrücke ist 188 Meter hoch. Gefühlte 153 Stufen, etliche Baumwurzeln, Lehmklumpen, doch dann ist es geschafft. Die Mühe wird belohnt. Der Blick fällt auf Beyenburg, die beiden Kirchen, die Wupper, den Stausee, die Siedlung Sondern, die Steinhauser Straße, den Siegelberg. Guido Wasserfuhr (43) sieht auf sein Beyenburg.

Dort ist er geboren. Er kann sich nicht vorstellen, anderswo zu leben. „Das ist meine Heimat“, sagt er, „Beyenburg kenne ich wie meine Westentasche. Wir haben an der Wupper gespielt, sind in die Wälder gegangen, haben als Kinder Kastanien gesucht, unsere Kindheit war schön. Wir haben so viel draußen gespielt. Wo kann man das noch?“, fragt er, und spontan fallen ihm die alten Beyenburger Geschichten ein.

„Da soll es doch einen Geheimgang zwischen dem Kloster und der alten Burg gegeben haben. Als Kind hat doch jeder mal diesen Gang gesucht“, sagt er. Guido Wasserfuhr ist amtierender Schützenkönig der Bruderschaft St. Annae et Katharinae, der ältesten Bruderschaft im Bergischen. Auf den Titel als Schützenkönig ist er stolz. Seit 1985 baut er den Vogel zusammen, doch in diesem Jahr hat er sich daran fast verbissen. „428 Schuss habe ich gebraucht“, lacht er, doch der Vogel aus gedämpfter Buche war zäh. „Es sind immer spannende Kämpfe“, sagt er, das mache auch das Schützenfest aus. Wenn nach dem Königsschuss in der Halle gefeiert wird, wenn die Glocken läuten und Salut geschossen wird, sei das einfach Heimat.

Die Schützen, die Kirchen, die Gemeinschaft. Das ist, was den Ortsteil Beyenburg ausmacht. „Ich gehe vor die Haustür und rede mit den Nachbarn, hier kennen sich alle“, sagt Wasserfuhr. Spontan hat die Gemeinschaft beschlossen, ein Lindenfest zu feiern. Auch die neueren Bürger haben sofort mitgemacht. Beyenburg steckt an, dort kann man sich wohlfühlen.

Guido Wasserfuhr steigt mit der Familie so fünf Mal im Jahr auf den Bilsteinkopf. Im Herbst ist es dort besonders schön. Einen Lieblingsplatz kann er von dort aus allerdings nicht sehen. Den Schützenplatz. „Dort bin ich besonders gern. Vor dem Schießstand mähe ich den Rasen, schaue auf die Häuser in Unterbeyenburg und hinauf auf die Kirche, das beruhigt mich, ich fühle mich dann wohl.“

Das Rasenmähen ist natürlich eine ehrenamtliche Sache. Ehrenamt wird in Beyenburg groß geschrieben. Die kleine Kapelle Maria im Schnee, einst ein Ziegenstall, haben die Beyenburger in monatelanger Arbeit zu einer kleinen Wallfahrtsstätte hergerichtet, die selbst Joachim Kardinal Meisner in hohen Tönen gelobt hat. Auch hier mähen die Beyenburger, jäten Unkraut, wechseln Kerzen aus, halten die Kapelle sauber, schließen morgens auf, abends ab, das ist für sie selbstverständlich.

„Das macht Beyenburg aus, dass wir zusammenhalten“, sagt der Schützenkönig. Es gibt hohe Feiertage wie Himmelfahrt und Schützenfest. „Da käme ein Beyenburger nicht auf die Idee, in Ferien zu fahren. Wir schmücken Tage vorher den Ort mit Fähnchen und Birkengrün. Das ist viel Arbeit, aber die jahrhundertealte Tradition halten wir aufrecht. Beim Schützenfest ist es ebenso.“

Wieder werden von Fachwerkhaus zu Fachwerkhaus Leinen gespannt und Fähnchen gezogen. Und wenn zum dreitägigen Schützenfest dann Ortsfremde kommen, staunen sie über das wunderschön geschmückte Beyenburg. Sie wundern sich vielleicht über den Zug am Sonntagabend mit den Schützenfrauen, die zur Schützenhalle zum Parademarsch ziehen. „Das haben wir noch nie gesehen“, sagt Familie Schröder aus Solingen.

Die Schützen kennen es nicht anders, sie gibt es seit 1383. Die Prozession gibt es auch seit 1443. „Wir wollen die Tradition bewahren“, sagt Wasserfuhr. Froh ist er, dass die Ökumene in Beyenburg so lebendig ist. Die evangelische Gemeinde ist immerhin größer als die katholische. Das Sternsingen verläuft ökumenisch und auch das Öffnen der Fenster im Advent wird gemeinsam gefeiert. „Wir müssen aber daran arbeiten, dass Beyenburg so bleibt wie es ist. Eine große Gemeinschaft.“ Das ist der Wunsch des Schützenkönigs.

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