Das Handwerk hat Zukunft Seelsorge mit Schere und Kamm

Gesellin Vanessa Lueg (24) hat gelernt, dass bei den Kunden im Friseursalon in doppelter Hinsicht Fingerspitzengefühl gefragt ist.

Gesellin Vanessa Lueg schätzt das familiäre Arbeitsklima im Salon von Chefin Evy Rippel (r.).

Gesellin Vanessa Lueg schätzt das familiäre Arbeitsklima im Salon von Chefin Evy Rippel (r.).

Foto: Andreas Fischer

Barmen. Der Papa war Frisör, die Oma war Frisörin — da schien der berufliche Werdegang von Vanessa Lueg fast vorgezeichnet. Aber wie das so ist: „Als Teenager wollte ich eigentlich etwas anderes machen.“ Sie überlegte in die Pflege zu gehen oder Hebamme zu werden. Schließlich ließ sie sich von ihrem Vater inspirieren, mit 20 Jahren doch noch zur Schere zu greifen. „Ich bin sehr froh, dass ich das gemacht habe. Der Beruf ist total meins“, sagt die Gesellin.

Vanessa Lueg hat sich bewusst für einen Handwerksberuf entschieden — ganz speziell einen, bei dem sie viel Kontakt mit Menschen hat. „Wir schneiden ja nicht nur Haare, wir sind auch Seelsorger“, berichtet die 24-Jährige. Die Arbeit im Salon Hair Event, Klingelholl 118, ist Arbeit mit und an Menschen. Manchmal berichten die Stammkunden, die dem Laden von Chefin Evy Rippel teils seit Jahrzehnten treu sind, von ihren privaten Problemen, in anderen Fällen sind die Friseurinnen live bei einschneidenden Augenblicken dabei. Dann nämlich, wenn Frauen in der Chemotherapie sich schweren Herzens in den Lederstuhl setzen und einen Kahlschnitt mit dem Rasierer bekommen. Gesellin Vanessa Lueg hat schnell erkannt: In ihrem Beruf ist nicht nur beim Haareschneiden Fingerspitzengefühl gefragt.

Das sagt sie auch jungen Leuten, die sich für ihren Beruf interessieren. Bei der jüngsten Ausbildungsbörse in der Stadthalle stellte sie sich den Fragen diverser Schüler. „Viele wollten wissen wissen, welche Fähigkeiten man mitbringen muss.“ Vanessa Lueg sagt: „Man sollte auf jeden Fall offen sein und gerne kreativ arbeiten.“ Am Rande seien auch Kenntnisse in Chemie und Mathe gefragt.

„Wir müssen außerdem körperlich belastbar sein, schließlich ist man den ganzen Tag auf den Beinen.“ Die Frage Nummer eins der jungen Leute ziele jedoch auf die Bezahlung ab. Die sei laut Lueg gerade in der Ausbildung nicht üppig, man könne aber später gut davon leben. Zumal es pro Kunde ein bis zwei Euro Trinkgeld gebe, so dass der Verdienst unterm Strich höher ist als auf dem Papier.

„Zudem gibt es viele Möglichkeiten, sich weiterzubilden“, weiß die Berufsanfängerin. Je nach Veranlagung könne man später Visagistin sowie Maskenbildnerin werden oder auch den Meister machen und sich selbstständig machen.

Lueg liebt die Arbeit im Salon. Auch deswegen, weil das Team bei Hair Event wie eine Familie sei. Am liebsten schneidet und färbt sie Haare. „Weil man das Ergebnis sofort sieht“, sagt sie. Doch niemand erwartet, dass ein Azubi am Anfang sofort alles kann. Noch heute ist das Haarehochstecken für Lueg eine Herausforderung. Frischlinge dürfen sich zunächst einmal an den Arbeitskollegen ausprobieren, bevor sie auf die Kunden losegelassen werden. Lueg erinnert sich noch an ihren ersten Schnitt im Alleingang. „Da war ich ganz aufgeregt.“ Doch ein richtiger Patzer ist ihr nur einmal passiert: „Ich habe einem Kunden ins Ohr geschnitten — blöderweise war das ausgerechnet in der Prüfung.“ Trotzdem hat die Gesellin mit einem Spitzenergebnis bestanden. Wohl auch, weil sie selbst in der Situation noch wusste, was zu tun ist und dem Kunden erst einmal das Ohr desinfiziert hat. So muss man wohl sein als Friseurin: Immer auf alles vorbereitet.

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