Leben im Denkmal (1): Die schiefen Wände des Hans Heckhus

Familie Geiß wohnt im ältesten Haus des Bezirks. 1607 wurde es erbaut.

Heckinhausen. Es war einmal ein reicher Bauernsohn aus Beyenburg, der im Jahre 1607 das elterliche Gehöft verließ, um wenige Kilometer entfernt einen eigenen Hof zu errichten. Hans Heckhus hieß der Mann und sein Haus steht auch heute noch — an der Spiekerstraße in Heckinghausen und es ist das Älteste des Bezirks.

„Manchmal denke ich mir schon, es wäre schön in einem Haus zu wohnen, in dem die Wände gerade sind“, erzählt Claudia Geiß. Aber eigentlich habe sie sich an das Leben mit „Keilen und Klötzen“ gewöhnt. Denn um das Mobiliar in die Waagerechte zu bringen, muss man erfinderisch sein. Ein Mix aus alten und neuen Möbeln ziert das Fachwerkhaus, das die Familie ihres Mannes vor gut 85 Jahren erwarb.

Seit zwei Jahren renovieren Claudia und Rainer Geiß das mittlerweile denkmalgeschützte Haus. „Den Maurern mussten wir erst einmal zeigen, wie Fachwerk richtig verputzt wird“, erzählt Rainer Geiß. Aber diese wollten sich partout nicht belehren lassen. Ein Anruf bei der Unteren Denkmalbehörde der Stadt genügte und schell war klar: Ein besonderes Haus verlangt nach besonderen Methoden. So muss zwischen Mauerwerk und Holz ein Spalt gelassen werden, damit sich das Holz im Sommer ausdehnen kann. Denn es ist Leben im Denkmal — im wahrsten Sinne des Wortes.

In diesem Sommer macht die Familie erst einmal eine Renovierungspause. „Das Leben auf einer Baustelle ist kräftezehrend“, so Claudia Geiß. Im Winter 2009/2010 zum Beispiel lebte die Familie mit einem klaffenden Loch in der Außenwand. Nachdem ein an die Wand grenzender Schuppen abgerissen worden war, trat ein großflächiger Schwammbefall zutage, der beseitigt werden musste. Auf die winterlichen Außentemperaturen konnte keine Rücksicht genommen werden. Die Mauer musste weg — sofort.

Ein weiterer Posten auf der Liste der Renovierungskosten. Die liegen bisher im sechsstelligen Bereich. Dafür hätten andere neu gebaut. Nicht so die Familie Geiß. „Wenn das Haus jetzt noch einmal 100 Jahre hält, bin ich zufrieden“, sagt Rainer Geiß. Sohn Ben (13) kann sich nämlich gut vorstellen, im ältesten Haus des Bezirks wohnen zu bleiben. Denn er kennt jede Ecke und jeden Winkel, weiß genau, welche Bodendiele knarzt, wenn er auf sie tritt und welche nicht — immerhin ist der Boden in der Küche mehr als vierhundert Jahre alt. Er wurde erhalten, allein die großen Löcher verfüllt. „Früher ist in die Spalten immer Geld gefallen“, erzählt Ben und ist sicher: „Da liegen bestimmt zwei Millionen Euro drunter.“

Fundstücke gibt es übrigens im gesamten Haus zu entdecken. So finden sich im Flur des Untergeschosses Fliesen aus dem vergangenen Jahrhundert. „Mein Vater hatte eine Marmorhandlung“, erklärt Rainer Geiß die verschiedenen Fliesensorten an den Wänden. Grün, gelb, marmoriert oder eben nicht — die Reste von dem, was nach Kriegsende in Wuppertals Badezimmern und Küchen der letzte Schrei gewesen ist, hängen im Keller der Familie Geiß.

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