Langerfelder Lesefestival Hollstein holt beim Lesefestival zum Rundumschlag aus

Langerfeld · Altenas Bürgermeister, der wegen seiner offenen Flüchtlingspolitik Opfer einer Messerattacke wurde, sprach im Langerfelder Feuerwehrhaus zum Thema Anstand.

Andreas Hollstein berichtete bei der Lesung auch vom Angriff auf ihn.

Andreas Hollstein berichtete bei der Lesung auch vom Angriff auf ihn.

Foto: Schwartz, Anna (as)

. Gern hätte Andreas Bialas als Veranstaltungsort das Kindermuseum präsentiert, doch beim großen Andrang ging es spontan ins Feuerwehrhaus: Andreas Hollstein war unter dem Titel „Haltung und Politik in rauen Zeiten“ zu Gast bei „LangLese“, und viel Zuspruch für Langerfeld ist ja im Sinne dieses Lesefestivals. Der Bürgermeister von Altona wurde bekannt als Gewaltopfer nach seiner offenen Flüchtlingspolitik – und war mit seiner Mission offenbar am rechten Ort.

Nach seinen Erfahrungen bis hin zur Attacke im November 2017 sieht sich der sauerländische CDU-Politiker in der Verantwortung: „Ich bin davongekommen. Wenn ich jetzt nicht das Maul aufmache, mache ich mich mitschuldig.“ In einem weiten Bogen wirbt er seitdem für Respekt vor Amtsträgern wie auch Ehrenamtlern und privat Aktiven. Und der Saal Am Timpen, vorbei an den parkenden Feuerwehrfahrzeugen, schien dafür eigentlich passend, wie auch der Rahmen des Festivals, das vom Langerfelder Bürgerverein organisiert wird.

Anders als andere Programmpunkte des noch bis zum 9. Dezember laufenden Fests war der Termin weniger Lesung als Schilderung: Hollstein berichtete den rund 40 Besuchern von seinen Erfahrungen rund ums Flüchtlingsthema – mit dem gefährlichen Angriff zwar als Tiefpunkt, aber eingebettet in eine Gesamtlage, die er schon vorher bedrückend empfand: „Ich merkte: Sie war nicht so schön, die Stimmung in Deutschland.“

In einem Interview zur damals starken Migration hatte Hollstein zu Gelassenheit geraten: „Man kann das stemmen.“ Prompt kamen Hunderte Mails – finaler Stein des Anstoßes: Die Stadt beschloss, bei der Zuweisung Geflüchteter an die Kommunen die Quote überzuerfüllen: 250 Menschen sollte Altena aufnehmen, Hollstein sah Spielraum: „Wir fühlten uns fit für hundert mehr.“ Die Reaktionen gingen von Empörung (“Ihr versündigt euch an unserem Land“) über Aufforderungen („Reis‘ doch aus!“) bis hin zu Morddrohungen.

Als dann am 27. November 2017 ein verwirrter Mann den Bürgermeister in einem Imbiss mit einem Messer bedrohte und verletzte, sah nicht nur Hollstein das im Kontext eines aufgeladenen Klimas. Der Politiker nun dazu: „Natürlich hat von der AfD niemand dazu aufgerufen. Aber diese Partei trägt dazu bei, den Spaltpilz in unsere Gesellschaft zu bringen. Schwächere Menschen machen sich das zu eigen.“

Parallelen zu Altena sah der Gast auch in Wuppertal: „Beides sind Städte, die sich nach der Decke strecken müssen.“ Und der Blick vor Ort, die „Froschperspektive“, wie es Hollstein mehrfach nannte, schien zentral für seine Botschaft, die private Engagierte ebenso umfasste wie Politiker: „Wenn ein Feuerwehrmann angespuckt wird, beziehen Sie Stellung: Das macht man nicht! Das muss wieder in Ordnung kommen.“ Worte mit Gewicht zu „LangLese“, zwar einmal weniger literarisch: Der Abend war ein Rundumschlag zum Grundsatzthema Anstand, mit Erdung im Praxisbezug – gewissermaßen im besten Sinne konservativ.

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