Beispielrechnungen So viel bekommen Hartz-IV-Empfänger wirklich

CDU-Mann Jens Spahn provoziert mit Äußerungen zu Hartz IV. Ob die Unterstützung zum Leben reicht, hängt vom Einzelfall ab. Wuppertaler Experten berichten - und geben Beispiele.

Beispielrechnungen: So viel bekommen Hartz-IV-Empfänger wirklich
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Mit seinen Bemerkungen über Hartz IV und Armut hat sich der CDU-Politiker Jens Spahn auf dünnes politisches Eis begeben. Leben Bezieher von Hartz IV in Armut? Pauschal lässt sich diese Frage nicht beantworten. Denn ob Hartz IV reicht, hängt von vielen Faktoren ab. Die WZ zeigt beispielhaft, welchen Leistungsanspruch es gibt, und fragt Experten, warum das Geld manchmal nicht reicht.

Einer alleinstehenden Person ohne Einkommen wird ein Regelbedarf von 416 Euro pro Monat zugemessen. Hinzu kommen 280 Euro für die Grundmiete und 150 Euro für Heiz- und Nebenkosten. Damit kommt er auf einen Bedarf von 839 Euro zuzüglich der Kranken- und Pflegeversicherung.

Bei 7000 Erwerbstätigen (darunter 1800 in Vollzeit) in Wuppertal reicht das Einkommen nicht zum Auskommen. Die Zahl der sogenannten Aufstocker, die zum Gehalt Anspruch auf staatliche Hilfen haben, ist seit Jahren konstant.

Je 374 Euro für beide Eltern, 316 Euro Regelbedarf für ein 15-jähriges Kind, 296 Euro Regelbedarf für ein achtjähriges Kind, 485 Euro Grundmiete, 280 Euro Heiz- und Nebenkosten, Gesamtbedarf: 2 125 Euro. Darauf werden 388 Euro Kindergeld für zwei Kinder angerechnet. Damit liegt der Leistungsanspruch bei 1737 Euro zzgl. Kranken- und Pflegeversicherung.

416 Euro Regelbedarf für die Mutter, 149,76 Euro Mehrbedarf für Alleinerziehende, 316 Euro für ein Kind (15), 296 Euro für ein Kind (8), 448 Euro Grundmiete, 240 Euro Heiz- und Nebenkosten. Gesamtbedarf 1865,76 Euro, darauf 388 Euro Kindergeld angerechnet ergibt einen Leistungsanspruch von 1 477,76 Euro zzgl. Kranken- und Pflegeversicherung. Pro Kind und Tag werden je nach Alter von 2,80 bis 4,96 Euro Verpflegung angesetzt. Pro Jahr können 100 Euro pro Kind an Schulbedarfsgeld geltend gemacht werden. Vier Millionen Euro wurden 2017 in Wuppertal außerdem an Hilfen für Kinder über das Bildungs- und Teilhabepaket gewährt.

Er gehört zu denen, die Jens Spahn widersprechen: Lutz Middelberg, Kreisgeschäftsführer des Wohlfahrtsverbands „Der Paritätische“: „Herr Spahn hat einfach nicht Recht.“ Der Hartz IV-Regelsatz bilde nicht den tatsächlichen Bedarf ab. „Er beinhaltet 4,83 Euro für Lebensmittel am Tag. Damit kommt man nicht aus.“ Alkohol sei gestrichen. „Mal ein Bierchen ist nicht drin. Es gibt nur Wasser.“ Auch der Inflation werde nicht Rechnung getragen: „Über Jahre war die Erhöhung zu niedrig.“

Lebensumstände könnten dazu führen, dass der Regelsatz nicht reicht: „Da lebt jemand auf der richtigen Quadratmeterzahl und dann wird die Miete erhöht. Wenn das vom Unterhalt abgeht, wird es eng. Oder die Waschmaschine geht kaputt. Dann kriegen Sie vielleicht einen Kredit. Aber wie sollen Sie den abzahlen?“

Wolfgang Nielsen, Vorsitzender der Wuppertaler Tafel, sagt: „Herr Spahn hat Recht, Hartz IV reicht zum Überleben — aber: Der Mensch hat auch Bedürfnisse.“ Schon wenn jemand rauche, reiche das Geld nicht für Filterzigaretten. Einen Monat von Hartz IV zu leben, sei eine leichte Übung. Aber über Jahre werde es schwer: „Du kannst dich damit nicht bewegen.“

Dass es eng ist mit Hartz IV, sehe er auch daran, dass es am Monatsende voller bei der Tafel wird. Er stellt klar: „Die Leute kommen nicht zu uns, weil sie nicht mit dem Geld auskommen. Sondern weil sie Altlasten haben, Schulden.“ Zur Zusammensetzung der Tafelgäste sagt Betriebsleiter Zülfü Polat: „Wir haben Menschen, die Hartz IV beziehen, Rentner, Schüler, Geringverdiener.“ Da gebe es die, die jeden Pfennig umdrehen, und die, die sich ein Smartphone leisten. Zusätzliche Probleme verknappten das Geld: „Bei einer Sucht, ob Alkohol, Drogen oder Spielsucht, versickert einiges.“

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