Sie hilft Menschen aus der Messie-Falle

Die Wuppertalerin Andrea Balzer entrümpelt Wohnungen, die mit Unrat und alten Dingen vollgestopft sind.

Wuppertal. Fast jeder hat eine Ecke in der Abstellkammer oder der Garage, auf dem Dachboden, im Keller oder Küchenschrank, die er nur ungern ansieht. Eine Ecke, die das schlechte Gewissen hervorruft, weil sich Dinge dort stapeln, die man aufgehoben hat und nun doch nicht mehr braucht - wo sich Müll und Brauchbares zu einem undurchdringbaren Wust vermischen. Glücklich kann sich schätzen, wer nur eine solche Ecke hat.

Andrea Balzer hat dagegen oft mit Menschen zu tun, die das Chaos überrannt hat. Bei denen sich Unordnung nicht nur auf eine Ecke, sondern auf ganze Räume oder gar die gesamte Wohnung ausgebreitet hat. Die Wuppertalerin kümmert sich seit 1996 mit ihrer Firma "Rund ums Wohnen” professionell um die Ordnung im Haus.

Zu ihrer Klientel gehören in erster Linie Messies, also Menschen, die an Desorganisationsprobleme leiden und Schwierigkeiten haben, ihren Haushalt und ihren Alltag zu organisieren. Dazu gehören nicht die ganz schweren Fällen, bei denen die komplette Wohnung vom Fußboden bis zur Decke mit Unrat und Müll voll gestopft sind.

"Kann man die Wohnung nur mit Mundschutz betreten, hilft nur noch ein Entrümpler”, sagt Balzer. Ihre erste Messiewohnung sah sie 1991, als sie während des Architekturstudiums Renovierungsarbeiten übernahm. Damals war der Begriff in Deutschland noch so gut wie unbekannt. Mittlerweile wird Andrea Balzer bundesweit gebucht.

Auch wenn manchmal auch bei ihren Kunden zunächst die Laufwege frei gemacht werden müssen, um überhaupt mit dem Aufräumen anzufangen, geht Andrea Balzer anders vor als es ein Entrümpler machen würde. "Wir sprechen mit dem Kunden ab, was weg darf und was bleiben soll; der Entrümpler dagegen macht einfach den Müllsack auf”, erklärt sie den Unterschied. Ob in dem Chaos wichtige Unterlagen liegen oder nicht, ist ihm völlig egal.

Wertvoll oder wertlos das muss nicht selten ausdiskutiert werden. "Es ist manchmal ein hartes Stück Arbeit, einen Messie davon zu überzeugen, dass ein Großteil der gesammelten Weihnachtsdekorationen besser im Sozialkaufhaus aufgehoben ist, zumal er ohnehin alljährlich die Weihnachtstage im Skiurlaub verbringt”, beschreibt die drahtige Frau mit dem Kurzhaarschnitt.

Die Art, wie sie das sagt, lässt keinen Zweifel daran, dass sie weiß, wie sie sich durchsetzen muss. Doch manchmal geht es nur mit Kompromissen. Möchte sich der Kunde partout nicht von seinem Weihnachtsschmuck trennen, versucht Balzer wenigstens die Menge zu reduzieren, ihn dann nach einem sinnvollen System zu sortieren und zu verstauen.

"Meist ist es nicht Faulheit, die Chaos entstehen lässt, sondern eine tiefe Sehnsucht nach einem schönen Zuhause, die die Menschen Dinge anhäufen lässt, manchmal ist es die Unfähigkeit, sich von etwas zu trennen oder generell ein Problem, Dinge sinnvoll zu lagern”, weiß Andrea Balzer nach tausenden Fällen, die sie in den vergangenen Jahren betreut hat.

Um sie herum gibt es ein Team aus etwa zwölf Mitarbeitern, die mit ihr bundesweit agieren. Jeder ihrer Mitarbeiter hat seine Fachgebiete, denn sortieren und logisch ordnen kann man nur, was man versteht. "Ein Kunde hatte beispielsweise eine große Sammlung an Noten mittelalterlicher Musik, da war ich froh, dass ich eine Harfenlehrerin im Team hatte”, erinnert sich Balzer.

Viele Hochbegabte und Akademiker mit exklusiven Berufen seien unter ihren Kunden, aber auch Kunden, bei denen das Sozialamt den Einsatz der Balzer-Teams übernimmt. Aufräumen, ausmisten und Sortieren nehmen zwar den größten, aber nicht den ganzen Teil ihrer Arbeit ein.

Andrea Balzer bringt es auf den Punkt. "Ich bin Malocher, Überzeuger und Argumentierer, aber oft auch Handwerker, Zuhörer, Mutmacher und manchmal auch die jenige, die bei Ämtern ein gutes Wort einlegt ich tue eben alles, um meinem Kunden ein Stück Lebensqualität wieder zu geben.”

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