Wuppertaler Meisterwerke Scully pendelt zwischen zwei Welten

Wuppertal · Das Werk „Dark Light“ verkörpert den malerischen Ansatz des wektbekannten Iren in mustergültiger Weise. Es ist im Bestand des Von der Heydt-Museums.

Sean Scullys „Dark Light“ (1998) im Von der Heydt-Museum.

Sean Scullys „Dark Light“ (1998) im Von der Heydt-Museum.

Foto: Sean Scully

Wer diesen Sommer den Skulpturenpark Waldfrieden besucht hat, kennt Sean Scully. Dort ist eine umfassende Ausstellung mit Arbeiten des gebürtigen Iren (* 1945) in allen drei Hallen und im Park selbst mit Gemälden und Skulpturen ausgebreitet. Sehr beeindruckend! Auch das Von der Heydt-Museum besitzt ein Werk von Scully, der in London aufwuchs und studierte, seit 1975 in New York lebt und mittlerweile die amerikanische Staatsbürgerschaft besitzt. Er lebt und arbeitet auch in der Nähe von München und besitzt ein Atelier in Berlin. „Dark Light” ist zurzeit in unserer Sammlungspräsentation „An die Schönheit“ zu sehen. Und das 1998 aus Spendenmitteln durch den Kunst- und Museumsverein erworbene großformatige Werk gehört wirklich zu den Highlights unserer Sammlung. Es lässt die ungebrochene Energie zeitgenössischer Malerei spüren, die sich eindrucksvoll gegen die Übermacht fotografischer Bilder behauptet und uns mehr und anderes zu sehen gibt als alle digitalen Medien.

„Dark Light“ ist ein typischer Scully. Der Künstler wurde durch seine sorgfältig komponierten Gemälde mit geometrischen Formen, Rastern und Streifen bekannt, meist mit dicken Pinselstrichen gemalt. Und unser Bild verkörpert seinen malerischen Ansatz in mustergültiger Weise. Das Hochformat ist gegliedert in vier breite Querstreifen, abwechselnd dunkel, fast schwarz, und hell, in einem matten Olivgrün. Die mächtigen Querstreifen wiederum werden von zwei kleineren Feldern identischer Größe überlagert oder überschnitten: das obere gebildet abermals aus horizontalen Streifen – eher zart und abwechselnd in Weiß und Hellblau; das untere bestehend aus breiten vertikalen Blöcken in Schwarz, hinter und zwischen denen ein Rot gleichsam zu glühen scheint.

Scullys Komposition beruht auf dem Prinzip von Wiederholung und Variation, von Spiegelung und Umkehr. Sie führt ein Gleichgewicht vor Augen, das gleichwohl niemals berechenbar ist. Die Flächen, aus denen sie gebaut ist, stehen in klaren Maßverhältnissen, sind aber niemals identisch; sie ähneln einander, ohne ihre Individualität zu verlieren. Die Farben sind gedämpft, verhalten. In einem Interview sagte Scully einmal: „Ich denke, da ist viel Melancholie in meinen Bildern. Ein Gefühl des Verlusts (…), das Licht in meinen Bildern hat auf gewisse Weise eine melancholische Qualität, da ist eine gewisse Traurigkeit in diesem Licht.“

Sean Scully wurde bereits zweimal (1989 und 1993) für den Turner-Preis nominiert, eine der bedeutendsten Auszeichnungen für Kunst der Gegenwart. Sein Werk speist sich aus der Auseinandersetzung mit den gegensätzlichen Bildauffassungen europäischer und amerikanischer Kunst. Er begreift die von Jackson Pollock und seiner Generation entwickelte Vorstellung eines Bildes, das Farbe und Form frei und offen in der Fläche entfaltet, als Herausforderung für die europäische Tradition einer wie auch immer geometrisch ausbalancierten Komposition, wie sie vorbildhaft etwa Piet Mondrian vertritt. Ein elementarer Konflikt, den Scully letztlich für unlösbar hält.

Und so gewinnt seine Kunst ihre eigentümliche Ausstrahlung und geradezu archaische Kraft denn auch aus dem Aushalten des Widerspruchs zwischen den einander ausschließenden Bildkonzepten. Scully pendelt gleichsam zwischen den Welten: als Maler, der gleichzeitig europäisch und amerikanisch denkt – und als Mensch, der Wohnsitze auf zwei Kontinenten hat.

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