Wuppertal Schwebebahn: „Früher war nicht alles besser“

Interview Herbert Cappel hat sich als Historiker auf den Nahverkehr spezialisiert. Er erläutert, dass in der Geschichte des Wuppertaler Wahrzeichens nicht immer alles glatt lief.

 Warum die Stromschiene abriss, steht immer noch nicht fest.

Warum die Stromschiene abriss, steht immer noch nicht fest.

Foto: Anna Schwartz

Die Schwebebahn steht still – und das mindestens noch für einige Monate. Die Fehlersuche nach dem Absturz von mehreren hundert Metern Stromschiene dauert an. Die Kritiker werden immer lauter, einige zweifeln sogar daran, dass die WSW überhaupt die Betriebserlaubnis zurückerhalten. Früher, da sei die Schwebebahn viel zuverlässiger gewesen. Aber trifft das wirklich zu? Die WZ sprach mit Nahverkehrshistoriker Herbert Cappel.

Beim Thema Schwebebahn hört man immer wieder: „Früher war alles besser.“ Stimmt das?

Herbert Cappel: Klare Antwort: Nein. Es war nicht besser oder schlechter, höchstens anders.

Also gab es auch damals schon Unfälle und Ausfälle?

Cappel: Natürlich. Und nicht nur die bekannten. Der erste schwere Unfall ereignete sich bereits am 1. Mai 1917, als ein Wagen zwischen Oberbarmen und Wupperfeld abstürzte. Ein Fahrer hatte eine Klingel gehört zur Abfahrt, die es gar nicht gab. Mit hoher Geschwindigkeit fuhr er auf die vorausfahrende Bahn auf – was glimpflich ausging. Es gab keine Verletzten.

Bei einem Absturz in die Wupper?

Cappel: Ja, die hatten Glück. Zum einen war der Wagen nicht groß besetzt. Zum anderen löste er sich sehr langsam, die Passagiere hatten Zeit, sich vorzubereiten.

Wie lange stand danach der Betrieb still?

Cappel: Nur fünf Tage. Die Ursache war ja schnell gefunden: Es war menschliches Versagen. Der Fahrer wurde übrigens zu sechs Wochen Gefängnis verurteilt.

Und wie war das damals, 1950, bei Tuffi?

Cappel: So weit ich weiß, stand die Schwebebahn damals gar nicht lange still. Ich habe die Elefantendame am Abend noch im Zirkus gesehen. Es ging rum, dass sie aus der Schwebebahn gesprungen war, aber sie hatte sich ja nicht groß verletzt. Und die zerborstenen Türen der Bahn hat man schnell repariert.

Abgesehen von Unfällen: Wie sah es mit Ausfällen nach Pannen aus?

Cappel: Die gab es natürlich auch. Aber der Aufschrei war damals nicht so groß. Heutzutage wird ja direkt bei Facebook gepostet, wenn die Bahn mal nicht fährt. Wissen Sie, Wuppertal hat 350 000 Einwohner. Wenn was mit der Schwebebahn ist, sind 349 000 auf einmal Schwebebahn-Experten. Ich hatte mich extra bei Facebook mal angemeldet, um mit denen zu diskutieren. Aber dafür ist mir meine Zeit dann doch zu schade.

Worüber hätten Sie denn mit den „Experten“ gestritten?

Cappel: Zum Beispiel darüber, dass immer wieder gesagt wird, dass der Kaiserwagen im Gegensatz zu den neuen Wagen kaum Probleme habe. Da haben zwei Mitarbeiter vor Jahren auch Technikteile per Hand geschmiedet. Wenn es die nicht geben würde, würde auch der Kaiserwagen nicht mehr fahren. Das wird aber gerne vergessen und viele wissen das auch gar nicht. Vieles wird im Rückblick auch verklärt. Zum Beispiel auch das Thema Vandalismus.

Auch nicht nur ein aktuelles?

Cappel: Definitiv nicht. Ich bin selbst eine Zeit lang Schwebebahnfahrer gewesen. Schon vor Jahrzehnten war an den Tagen der Fußballspiele regelmäßig was los. Da hörten Sie auf der Fahrt vom Döppersberg in Richtung Stadion vorne, wie hinten die Glühbirnen knallten. Und das, obwohl damals noch Schaffner in den Bahnen mitfuhren.

Warum ist die Schwebebahn denn so ein Thema bei den Leuten?

Cappel: Das ist ein Verkehrsmittel mit Weltgeltung, von Anfang an eine Ikone. Und die Wuppertaler beanspruchen es für sich. Jeder Ausfall wird da heiß diskutiert. Aber man darf nicht vergessen: Die Schwebebahn fährt in einer Woche eine Strecke rund um den Erdball. Da muss man eine halbe Stunde verschmerzen können, wenn sie mal nicht fährt.

Der aktuelle Ausfall ist dann aber schon etwas anderes.

Cappel: Früher gab es auch längere Ausfälle. Natürlich im Krieg durch die Bombenangriffe, aber auch danach. Man hat sich teilweise mit Pendelverkehr beholfen, was im Krieg aber vor allem den Grund hatte, die Anlagen zu schützen. Denn das Regime der Nationalsozialisten hätte gerne die Gerüstteile gehabt.

Und nach dem Krieg?

Cappel: Nach dem Krieg wurde auch mehrfach pausiert, immer wenn größere Arbeiten an den Gerüsten anstanden. Zum Beispiel in den 1960er Jahren, als der Alte Markt in Barmen umgestaltet und eine neue Haltestelle erbaut wurde. Damals behalf man sich auch mit Pendelverkehr. Erneut dann 1968, als ein Lastkraftwagen einen Pfeiler an der Sonnborner Straße zum Einsturz gebracht hatte. Da ging es aber nur darum zu zeigen: „Wir sind noch da.“ Der Pendelverkehr war eigentlich ein Schuss in den Ofen. Der Aufschrei war damals aber eher gering. Es gab ja zum Beispiel noch die Straßenbahn als Alternative.

Der Eindruck vieler Wuppertaler ist: Mit den neuen Wagen haben die Störungen zugenommen.

Cappel: Das ist sehr subjektiv. Als in den 1950er Jahren die neue Wagengeneration kam, wurde der erste Wagen eingehängt und es passierte – nichts. Es hat 5000 Arbeitsstunden gedauert, bis der mal fuhr. Nur das weiß heute natürlich auch niemand mehr. Das zeigt: Mehr Elektronik macht die Schwebebahn heute auch nicht anfälliger, was die sogenannten Experten immer wieder gerne behaupten.

Glauben Sie, dass die Schwebebahn wieder fahren wird?

Cappel: Ja klar, auf jeden Fall.

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