Schutzwesten für Rettungskräfte in der Diskussion

Die vermehrten Übergriffe auf Rettungskräfte lassen die Frage nach Schutz neu entfachen.

Kommissaranwärterin Nicole Steffen zeigt die Schutzweste der Polizei.

Kommissaranwärterin Nicole Steffen zeigt die Schutzweste der Polizei.

Foto: Henning Kaiser

Wuppertal. Benötigen Feuerwehr, Rettungsdienste und Notärzte zukünftig Schutzwesten, um sich bei ihren Einsätzen gegen Angriffe schützen zu können? Diese Frage wird derzeit verstärkt diskutiert, nachdem in der Silvesternacht bundesweit vermehrt Übergriffe auf Rettungskräfte registriert wurden. NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) hatte daher im Gespräch mit unserer Zeitung angeregt, dass man über alle Mittel nachdenken müsse, „die geeignet sind, gerade unsere ehrenamtlichen Retter zu schützen. Dazu können auch Schutzwesten gehören“.

Doch sind solche Maßnahmen auch für die Rettungskräfte in Wuppertal sinnvoll? Zumal Reul auch betont: „Eine flächendeckende Ausstattung der Feuerwehren und Rettungsdienste mit solchen Westen ist aber weder sinnvoll noch geplant.“

Vor allem die unterschiedlichen Voraussetzungen in den einzelnen deutschen Städten sind dabei ein entscheidendes Kriterium. „Wir sind nicht in Köln oder Düsseldorf“, sagt Heino Müller, Leiter der Johanniter-Einsatzdienste. „Klar gibt es auch in Wuppertal Problembezirke wie den Döppersberg oder den Berliner Platz, aber bislang gab es noch keine körperlichen Angriffe auf unsere Sanitäter.“

In die gleiche Kerbe schlägt auch der Chef der Wuppertaler Berufsfeuerwehr Ulrich Zander: „Man muss zwischen den Bedingungen in den einzelnen Städten unterscheiden. Bilder wie in Berlin oder beispielsweise in Hamburg beim G20-Gipfel gibt es in Wuppertal Gott sei dank nicht.“ Zudem stellt Zander fest, dass es aktuell weder mehr noch weniger Übergriffe gegeben hat als vor 20 Jahren.

Das Problem liege eher bei verbalen Angriffen von zumeist stark alkoholisierten Personen. „Bei den Übergriffen gab es meistens die gleichen Verhaltensmuster, und Alkohol spielte dabei fast immer eine Rolle“, erklärt Zander.

Verharmlosen will er das Thema wie auch Heino Müller allerdings nicht. „Für die Kollegen sind solche Situationen natürlich sehr belastend“, räumt Müller ein, sieht in den Schutzwesten jedoch kein Allheilmittel: „Vielleicht wäre eine Weste für viele Kollegen eine Sicherheit, vor allem mental. Allerdings bin ich der Meinung, dass Schutzwesten das Aggressionspotenzial eher steigern würden, weil ich damit auch ein Zeichen nach außen setze.“

Potenzielle Täter könnten sich durch die offensichtliche Schutzkleidung provoziert oder angestachelt fühlen, so die Befürchtung. Zwar gebe es Westen, die man auch unter der Einsatzkleidung tragen könne, sagt Müller, „dennoch trägt sowas auf und ist erkennbar. Insgesamt haben wir noch kein System gefunden, das hundertprozentig ideal ist“.

Für Ulrich Zander spielt auch die Beschaffenheit der Westen eine entscheidende Rolle. „Grundsätzlich muss eine Schutzwelle stabil sein, damit sie schützt; gleichzeitig darf sie aber nicht die Bewegungsfreiheit einschränken“, betont er und nennt ein konkretes Beispiel: „Gerade bei Reanimierungsmaßnahmen muss die Beweglichkeit des Nothelfers unbedingt gegeben sein, damit er vernünftig helfen kann. Zudem stellt sich die Frage, ob solche Westen bei Einsätzen mit hoher Temperatur überhaupt geeignet wären.“

In diesem Zusammenhang sieht Zander die Feuerwehr mit seinem bisherigen Equipment insgesamt gut ausgestattet. Auch was das Thema Schutz gegen Stichwaffen angeht gibt er Entwarnung. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es in den vergangenen Jahren zu Stichverletzungen gekommen ist“, betont Zander.

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