Schulden: Das lange Warten auf einen Beratungstermin

Fast 52.000 Wuppertaler sind überschuldet. Einrichtungen, die helfen könnten, haben nicht genug Kapazitäten.

Wuppertal. Heike Baumann (Name geändert) weiß noch genau, wie alles angefangen hat. Vor 20 Jahren ist sie in ihre erste eigene Wohnung gezogen. Damals war sie in der Lehre, verdiente nur wenig Geld. „Aber Wünsche hatte ich natürlich trotzdem“, sagt die 37-jährige Wuppertalerin. Sie bekam bei der Bank einen Kredit über 500 Mark — und rutschte gleichzeitig immer tiefer in den Dispo.

„Ein Auto, Möbel und Klamotten — alles, was ich haben wollte, habe ich mir auch bestellt“, sagt sie. Zu Hause habe sie nie gelernt, mit Geld umzugehen. „Es gab keinerlei Mangel, Geld war eben immer einfach da.“ Wo es herkam und wie man damit wirtschaftet — das hat Heike Baumann als Jugendliche nicht interessiert. Bis sie sich als Erwachsene eingestehen musste, dass sie ihr finanzielles Limit mehr als ausgereizt hatte und freundliche Lieferanten plötzlich zu wütenden Gläubigern geworden waren.

So wie Heike Baumann geht es allein in Wuppertal fast 52 000 Menschen über 18 Jahren. Die Schuldnerquote ist mit 17,8 Prozent die zweithöchste in der Bundesrepublik. Und Menschen, die einmal in die Schuldenfalle getappt sind, finden häufig nicht mehr allein heraus. Sie brauchen Hilfe.

Ein sinnvoller erster Schritt ist für viele der Gang zur Schuldnerberatung — angeboten wird sie in Wuppertal beispielsweise von der Diakonie, der Verbraucherzentrale oder der Arbeiterwohlfahrt (Awo). Diese Einrichtungen wiederum wissen vor Kundschaft oft weder ein noch aus — und haben tendenziell eher weniger als mehr Kapazitäten, um die Betroffenen adäquat zu beraten.

„Wir können nur begrenzt Neufälle aufnehmen“, sagt Werner Bergmann von der Verbraucherzentrale. Etwa 500 Menschen, die eine „umfassende Sanierungsberatung“ bräuchten, müssten jährlich an andere Stellen verwiesen werden. Und stehen wahrscheinlich auch dort vor verschlossener Tür oder landen auf einer Warteliste. „Für die Betroffenen ist das schlimm“, sagt Bergmann. „Sie kommen zum Teil mit massiver Existenzangst zu uns. Die kann man ihnen ohne umfassende Beratung aber nicht nehmen.“

Ähnlich wie bei der Verbraucherzentrale sieht es auch bei den anderen Schuldnerberatungen in Wuppertal aus. Wie die WZ berichtete, steigen die laufenden Kosten, während die Zuschüsse von Stadt und Land seit Jahren eingefroren sind. Awo, Diakonie und Verbraucherzentrale berichten daher heute im Sozialausschuss gemeinsam über den Stand der Dinge. „Wir sprechen über Grundlagen der Finanzierung, Wünsche, Lösungen und Visionen“, sagt Gisela Deller, Leiterin der Schuldnerberatung bei der Diakonie.

Für Heike Baumann ist dieser Zustand unerträglich, auch wenn sie selbst es geschafft hat — nicht zuletzt wegen der Schuldnerberatung der Diakonie. „Ich bin heute noch sowas von dankbar“, sagt sie. Und weiß: „Die Menschen brauchen die Hilfe sofort und nicht in einem halben Jahr.“ Sie gingen mit Hoffnung auf Hilfe zur Schuldnerberatung, und die werde dann zerstört. „Die Schuldnerberatung ist wichtig“, sagt Baumann. „Ohne diese Hilfe hätte ich es nicht geschafft.“

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