Schul-Sterben geht weiter: Aus für die Gertrudenstraße

Innerhalb von einem Jahr verabschiedet sich die Stadt von der dritten Hauptschule.

Wuppertal. Als die Stadt das Aus für die Hauptschule Cronenberg verkündete, war die Entrüstung noch groß, Eltern und Schüler probten den Aufstand. Jetzt steht fest, dass auch die Hauptschule Elberfeld-Mitte (Gertrudenstraße) nicht weiter existieren wird. Die Reaktionen schwanken aber nur noch zwischen Resignation und Enttäuschung. Über das Aus für die Traditionsschule haben die Eltern entschieden. Lediglich elf Anmeldungen zum kommenden Schuljahr - das sind zu wenige fürs Überleben.

Die Hauptschule wird, wie es offiziell heißt, auslaufend aufgelöst. Das bedeutet: Es werden keine Eingangsklassen mehr gebildet. Die Schüler, die derzeit die Schule besuchen, können noch ihren Abschluss machen. Die elf Anmeldungen werden auf die Hauptschulen Bundesallee und Kruppstraße verteilt. Am Katernberg kommt auch die integrative Lerngruppe unter.

Politisch ist Aus für die Gertrude bereits auf dem Weg, den entsprechenden Beschluss soll der Schulausschuss in seiner Sitzung am Dienstag treffen.

Damit ist in kurzer Folge die dritte Hauptschule in Wuppertal (neben Hauptschule Rott) am Ende. Und es wird unter den derzeitigen Voraussetzungen nicht die letzte sein. Dirk Rasel, Sprecher der Hauptschulen und Schulleiter an der Kruppstraße, spricht von einem Hauptschul-Sterben, an dem nicht nur die Politik schuld ist. "Wir haben den Eltern nicht klarmachen können, dass sie ihre Kinder mit einer Perspektive auf die Hauptschule schicken können."

Tatsache ist, dass die Schülerzahlen in Wuppertal insgesamt zurückgehen. Die Hauptschulen sind im Osten der Stadt noch stabiler als im Westen. Für sie gilt generell: Eltern, deren Kinder eine Empfehlung für diese Schulform erhalten, versuchen es zunächst lieber bei einer Gesamtschule. Das Angebot dort wird dementsprechend erweitert. Die Hauptschule ist also selten erste Wahl. Alle Versuche, dies zu ändern, verpuffen weitgehend, und der Stadt als Schulträger bleibt nichts anderes übrig, als auf die Abstimmung mit den Füßen zu reagieren.

Vor der Landtagswahl forderte Rasel noch, mit den Zahlen "kreativ" umzugehen. Da seien alle Schulformen gefordert. Derzeit ist aber jede Kreativität durch die anstehende Regierungsbildung in Düsseldorf wie gelähmt. Auch der angekündigte Hauptschul-Entwicklungsplan lässt auf sich warten. "Wir wissen doch noch gar nicht, was mit der Minderheitsregierung von SPD und Grünen auf uns zukommt", klagt Schuldezernent Matthias Nocke (CDU).

Das trifft nicht nur auf die Hauptschulen zu. Das komplette NRW-Bildungssystem steht vor einer Zäsur: Kopfnoten, G8, Gemeinschaftsschule, länger lernen, Zusammenlegung von Haupt- und Realschulen sind nur einige Punkte, die vor Ort für Verunsicherung sorgen. Man bemühe sich, keine Fakten zu schaffen, die im Widerspruch zu einer veränderten Bildungspolitik stünden, meint Nocke. Aber so einfach ist das nicht. Beispiel Gymnasien: Was aus ihnen wird, wenn die Grundschule verlängert oder die Gemeinschaftsschule eingeführt wird, ist nicht klar. Zugleich werden die Abitur-Schmieden derzeit mit Macht zu Ganztagseinrichtungen umgebaut. Viele Millionen fließen in Wuppertal bis 2011 in den Bau von Mensen an Einrichtungen des dreigliedrigen Schulsystems. Das hat aber zumindest theoretisch unter Rot-Grün keinen Bestand mehr. "Wir wollen die Gemeinschaftsschule", erklärt SPD-Landtagsabgeordneter Dietmar Bell. Wie die genau aussehen wird und was sich letztlich in der Praxis auch umsetzen lässt, kann auch er noch nicht sagen.

Die Hauptschule in bisheriger Form aber hat sich überlebt. Da zumindest sind sich alle einig. Und für die Hauptschule Gertrudenstraße kommt ohnehin jede Hilfe zu spät.

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