Pilotprojekt Schüler entdecken ohne Notendruck die Vielfalt an der Uni

Elberfeld. · Im sogenannten Frühstudium können Jugendliche vor dem Abitur schauen, wie das Campus-Leben läuft.

 Christian Gebauer (v.l.), Louis Gerbes, Reinold Mertens, Rosalie Volmer und Christine Hummel loben das Pilotprojekt.

Christian Gebauer (v.l.), Louis Gerbes, Reinold Mertens, Rosalie Volmer und Christine Hummel loben das Pilotprojekt.

Foto: Fischer, Andreas H503840

Studieren vor dem Abitur? Wer schnell und gerne lernt, kann auch schon in der Oberstufe Vorlesungen und Übungen an der Universität besuchen. Das sieht das Hochschulgesetz vor. Jeweils acht bis zwölf Schüler nutzten in den vergangenen Jahren diese Möglichkeit in Wuppertal. Seit dem Wintersemester begleitet die Zentrale Studienberatung der Bergischen Universität (ZSB) in einem Pilotprojekt dieses Frühstudium besonders intensiv.

Denn bisher waren Schüler, die während der Schulzeit einzelne Stunden an der Uni verbrachten, auf sich alleine gestellt und mussten alles selbst organisieren. Schafften sie die Abschlussprüfungen ihres Kurses nicht, gab es trotz ihres intensiven Arbeitsaufwandes keine Bestätigung für ihr Engagement.

Das soll nun im Pilotprojekt anders werden. Die ZSB kooperiert dafür mit dem nahe gelegenen Carl-Fuhlrott-Gymnasium (CFG). Zu jedem Semester soll es für Schüler und ihre Eltern eine Einführungsveranstaltung geben, dazu in der Mitte und am Ende weitere gemeinsame Treffen. Schulleiter Reinold Mertens unterstützt das neue Projekt: „Das ist eine tolle Möglichkeit für hochbegabte Schüler. Sie kommen von der Uni hochmotiviert zurück.“ Er ist auch bereit, im Bedarfsfall Lehrerstunden zu investieren, falls Schüler durch ihre Abwesenheit im regulären Unterricht bei einzelnen Themen Hilfe benötigen.

An die Universität dürfen nur besonders begabte und leistungswillige Schüler der Oberstufe. Schule und Eltern müssen der Zusatzbelastung zustimmen. Zur Auswahl haben die Frühstudierenden ein breites Spektrum an Fächern. In allen Fakultäten gibt es Dozenten, die sich bereitwillig um diese jungen Studierenden kümmern wollen. Schließlich ist das für die Hochschule eine gute Möglichkeit, besonders begabte junge Menschen an sich zu binden. Denn die Scheine, die sie während ihrer Schulzeit erwerben, können ihnen später fürs Studium anerkannt werden. „Die Schüler werden bei uns aber wie ganz normale Studenten behandelt“, sagt Studienberaterin Christine Hummel.

Den Schülern fällt es einfacher, selbstgewählten Stoff zu lernen

Für die meisten Frühstudierenden steht jedoch weniger eine Beschleunigung ihres Studiums als eine Erweiterung ihres Horizonts im Vordergrund. „Mich hat das Studium sehr positiv überrascht – ich habe ganz neue Möglichkeiten kennen gelernt, wie man mit Texten umgehen kann“, lobt Louis Gerbes (18). Der Q1-Schüler hat an einer Übung zur Revolution von 1818/19 teilgenommen. „Das ist viel tiefer und intensiver als an der Schule. Und ich habe an der Uni eine ganz andere Art entdeckt, mir den Stoff zu notieren.“ Außerdem hat der Schüler die Freiheit genossen, in der Wahl seiner Themen innerhalb des Fachbereichs Geschichte eigene Schwerpunkte zu setzen.

Seine Mitschülerin Rosalie Volmer (17) hat sich in einer Übung mit „Cäsaren – Wahn der römischen Kaiser“ beschäftigt. Ihr fällt der Motivationsunterschied auf zwischen den selbst gewählten Fächern an der Uni und der Schule: „Da musste ich mal eben 45 Seiten lesen – aber weil es mich interessierte, war das kein Problem.“

Dabei zeigt die Erfahrung von Lehrern und Studienberatern, dass die Schüler nicht zwangsläufig später das Fach studieren, in das sie während der Schulzeit hineingeschnuppert haben; manche entdecken dadurch auch, dass ihnen ein anderer Bereich besser liegt. Oder sie genießen bewusst die Freiheit, ohne Notendruck ein Fach zu erleben. Christine Hummel betont auch, dass sie keine frühzeitige „Vereinseitigung“ auf ein Fach fördern wolle. Das breite Fächerspektrum der Gymnasien sei sinnvoll und gewünscht. Doch die Frühstudierenden lassen sich von ihren Mitschülern Material aus den versäumten Stunden mitbringen und bereiten dieses zu Hause nach. So erhalten sie die breite Bildung gleichzeitig mit tieferen Einblicken.

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