Sascha Grammels verhängnisvoller Lidstrich

Frederic & Co. begeistern im neuen Programm „Keine Anhung“ von Sascha Grammel.

Elberfeld. „Keine Anhung“ einfach nur eine Show zu nennen, wäre die Untertreibung des Jahres. Es ist vielmehr eine eigene kleine Welt, in die der Zuschauer entführt wird: in die Welt von Frederic, Freiherr von Furchensumpf, Josie und Professor Hacke — und natürlich in die von Sascha Grammel.

Das Bühnenbild ist dabei fast genauso chaotisch wie der Einlass in den großen Saal der Stadthalle am Ostersonntag. Dichtes Gedränge vor den Türen, die Letzten in den Schlangen sind noch längst nicht drin, als die Ersten sich schon wieder den Weg ins Foyer bahnen. Freie Platzwahl im Saal und auf der Empore — das sorgt für Hektik, denn ein großer deutscher Privatsender zeichnet das Programm auf, eine DVD wird produziert. 30 Minuten lang Warm-up: Keine Handtaschen in den Gängen, denn ständig flitzen die Kameraleute durch die Reihen, ein riesiger Kran schwenkt über das Publikum, überall Mikrofone und zusätzliche Beleuchtung.

Doch das ist sofort vergessen, als Sascha Grammel die Bühne betritt. Der 39-jährige Künstler steht in einer Welt aus knallbuntem Pappmaché: Die Häuser von Josie, Frederic und Hacke wirken wie ein überdimensioniertes Schlumpfhausen. Grammel grinst, bringt seine Paradepuppe mit: Frederic Freiherr von Furchensumpf. Die Figuren sitzen nicht auf seinem Arm, sie haben ihren eigenen Platz.

Grammel ist anders als andere Bauchredner. Frederic ist der Star, die freche Stimme, die auch bedrohlich „Hetz mich nicht!“ oder „Sascha!“ flüstern kann, perfekt auf die gerupfte Fasan-Adler-Mischung zugeschnitten. „Sag mal, hast du einen Lidstrich?“, blickt Frederic Grammel tief in die Augen und macht das Thema des Abends klar. Denn alle weiteren Puppen — auch der Außerirdische Herr Schröder — werden sich über sein Augen Make-up amüsieren. Dabei tritt Grammel hinter seine Charaktere zurück, wirkt schüchtern, wird von den Puppen geneckt und provoziert, doch niemals platt, niemals unter der Gürtellinie. Josie, die Schildkröte, bringt sogar einen emotionalen, kindlichen Aspekt mit. Faszinierende Puppen, von denen man glaubt, sie wären echt und stünden allein auf der Bühne. Als hätten sie ein Eigenleben, während Grammel nur danebensteht.

Die Dialoge: immer perfekt pointiert. Die Mimik: auf den Punkt — und das nur durch Blicke. Grammel macht sich über sich selbst lustig. „Du schwitzt total eklig, mach mal Sport“, sagt Frederic, um gleich darauf Grammels Lidstrich erneut zu kommentieren: „Frau Grammel.“ Ein Comedian, der auf der Bühne ständig über sich selbst lacht. „Ist dir schon aufgefallen, dass ich nicht reden kann, wenn du lachst?“, fragt Frederic und damit treten beide aus ihrer Rolle heraus. Deshalb ist es auch nur ein kleiner Schritt für Grammel, die Technik im Dialog mit Hacke zu bitten, die Augen des sprechenden Big Macs zu reparieren. Keine Show, sondern eine eigene Welt, denn während der kurzen Reparatur hinter der Bühne spricht Hacke weiter: „Das ist echt peinlich, Herr Grammel.“

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort