Samuel Scholz rappt aus Leidenschaft

Der 18-Jährige schreibt seine eigene Musik. Dann vergisst er, dass er im Rollstuhl sitzt und spürt eine besondere Freiheit.

Samuel Scholz rappt aus Leidenschaft
Foto: Anna Schwartz

Ronsdorf. Musik macht Samuel Scholz glücklich. „Dann fühle ich mich frei. Es ist eine ganz andere Welt“, sagt der 18-Jährige. Wenn er rappt oder Texte schreibt, vergisst er den Rollstuhl und die Schläuche des Beatmungsgerätes. Dann gibt es für ihn nur noch Töne und Worte. Seit vier Jahren komponiert der Ronsdorfer taktvolle Lyrik und möchte sich als Rapper Nacpany einen Namen machen. „Mir ist es wichtig, in der Szene ernst genommen zu werden. Ich möchte nicht nur der Rollifahrer sein, der Musik macht.“ Er wünscht sich, dass die Menschen ihn als Künstler wahrnehmen.

Mit seiner zweiten Single „Engel“ hat er im Internet bereits den Durchbruch geschafft. Das Video hat mehr als 17 000 Klicks gesammelt und die Herzen zahlreicher Nutzer berührt. In mehr als 1000 Kommentaren machen viele von ihnen Samuel Mut, weiterzumachen. „Auf unserer Seite sind es noch einmal 500 — alle überwiegend positiv“, sagt der Musiker. Als Internet-Star sieht er sich dennoch nicht. „Da gehört noch ein bisschen mehr dazu. Trotzdem ist es natürlich ein gutes Gefühl.“

Der Text für „Engel“ ist spontan an einem Wochenende entstanden. „Bei mir geht das sehr schnell“, sagt Samuel Scholz. Die erste Fassung schickte er der Sängerin Nani, mit der er den Song gemeinsam aufgenommen hat. Die beiden haben sich über ein soziales Netzwerk kennengelernt. Ihre Stimme hat ihn überzeugt. „Sie klingt sehr authentisch. Mit ihrer Ausstrahlung kann sie eine Botschaft gut vermitteln“, sagt Samuel.

In seinem Stück betont er den Wert des Augenblicks. „Es geht darum, das Leben als Geschenk zu betrachten, denn das ist es — auch für mich. Ganz gleich, wie man geboren wird, entscheidend ist, seine Zeit zu nutzen. Sie kann ganz schnell vorbei sein.“ Mit dem Lied möchte er anderen Menschen Mut machen. „Die Musik gibt mir Kraft und die positive Energie habe ich einfach in mir“, sagt der 18-Jährige.

Im Kleinkindalter diagnostizierten die Ärzte bei ihm eine spinale Muskelatrophie. Durch Funktionsstörungen motorischer Nervenzellen im Rückenmark schwindet seine Muskulatur langsam und schränkt die Bewegungsmöglichkeiten deutlich ein. Trotz seines Handicaps schaut Samuel Scholz zuversichtlich in die Zukunft und hat bereits konkrete Pläne für 2016. Gemeinsam mit einem befreundeten Rapper aus Gütersloh möchte er ein eigenes Album aufnehmen. Darauf soll vor allem klassischer deutscher Rap zu hören sein, bei dem die Rhythmen auch schon mal härter sein dürfen.

Samuel Scholz, Rapper

„Musikalisch habe ich zwei Seiten: einmal die tiefsinnigen Töne und einmal die heftigeren Sachen.“ Er ist sehr gespannt, wie die klassischen Rap-Rhythmen bei den Hörern ankommen. „Nach Engel haben sicher viele eine andere Erwartung.“ Am liebsten würde er das Album in seinem eigenen Studio produzieren, das in der Nachbarschaft entstehen soll. Doch seine Eltern bremsen seine Erwartungen. „Er hat so viele Ideen im Kopf, und es kann ihm nicht schnell genug gehen. Doch es wird noch etwas dauern, bis alles fertig ist“, sagt seine Mutter, Simone Dahlmann-Scholz.

Bekannte haben Samuel einen Teil ihrer Halle für seine Leidenschaft zur Verfügung gestellt. „Derzeit kommen täglich Pakete für die Einrichtung an.“ Die Eltern sind stolz auf Samuel, der trotz seines Handicaps seinen eigenen Weg zielstrebig verfolgt. „Die Musik ist sein eigener Bereich. Da grenzt er sich auch bewusst ab. Wir bekommen immer erst das fertige Stück zu hören. Alles andere macht er mit seinen Freunden“, berichtet Simone Dahlmann-Scholz. Sie wünscht sich, dass Samuel das tun kann, was ihm Freude macht und ein möglichst selbstbestimmtes Leben führt. „Wir versuchen, uns so wenig wie möglich einzumischen.“

Der Rückhalt von Familie und Freunden gibt Samuel Kraft und Mut, seine Träume auch zu verwirklichen. „Doch ich bin auch selbst ein positiver Mensch“, betont der Musiker. „Damit möchte ich Vorbild sein für andere. Es gibt viele Menschen, die sich nicht trauen, das zu tun, was sie wirklich wollen. Doch wenn man es nicht versucht, kann sich auch nichts ändern.“

Sein großes Vorbild ist der Astrophysiker Stephen Hawking. „Es ist bewundernswert, wie er das alles geschafft hat. Er steht in der Öffentlichkeit und wird ernst genommen“, sagt Samuel Scholz. Musikalisch hat er bewusst keine Vorbilder, er konzentriert sich auf seinen eigenen Stil. „Ich möchte niemanden kopieren.“ Deshalb ist ihm sein erstes Album so wichtig. Die Texte dafür sind bereits zu 90 Prozent fertig. „Es fehlt nur noch der Feinschliff“, sagt Nacpany, denn ein Künstlername gehört in der Rapper-Szene einfach dazu.

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