„Rückkehr zu G9 ist ein Segen“

Fast alle Gymnasien in Wuppertal freuen sich auf das Ende des Turbo-Abis. Das CFG will als erste Schule das „gescheiterte Experiment“ beenden.

„Rückkehr zu G9 ist ein Segen“
Foto: Armin Weigel/dpa

Wuppertal. Das Carl-Fuhlrott-Gymnasium steigt als erstes aus dem Turbo-Abi aus. Nach der einstimmigen Entscheidung der Schulkonferenz soll bereits zum kommenden Schuljahr wieder das Abitur nach neun Jahren (G9) die Regel sein. Und das ein Jahr bevor 2019/20 die neue Landesregierung das Turbo-Abi wieder flächendeckend abschafft. G8 bleibt eine Option — allerdings nur, wenn eine Zweidrittelmehrheit in der Schulkonferenz zustimmt. An den meisten Wuppertaler Gymnasien dürfte es nicht dazu kommen.

Reinold Mertens, Schulleiter am CFB, ist nicht der einzige, der G8 als gescheitertes Experiment bezeichnen würde. Er freut sich, dass seine Schule in Zukunft wieder in der Lage sein wird, die „Bildung zu intensivieren“ und den Schülern wieder mehr Zeit für die „Herausbildung von Sekundartugenden“ gegeben wird. Denn das ist für Mertens eine Lehre aus dem Turbo-Abi: Einen Leistungsabfall hat G8 zwar an seinem Gymnasium nicht verursacht, aber es sei trotzdem extrem aufgefallen, dass den Schülern ein Jahr fehlt. „Gerade, wenn es um den Reifeprozess zum jungen Erwachsenen geht“, stellt Mertens fest.

Rechts und links von der Schule gab es für viele Jugendliche nicht mehr viel. Am CFB hat sich das an der Auslastung der AGs gezeigt, also dort, wo die Schüler ein freiwilliges Interesse ausbilden konnten. „Da haben wir einen extremen Einbruch der Teilnehmerzahlen bemerkt. Das war wirklich sehr schade“, so der Schulleiter.

Angesichts der gestiegenen Anforderungen, die gerade in technischen und naturwissenschaftlichen Berufen gelten, sagt Mertens: „Eigentlich sollte man heutzutage eher über zehn Jahre Gymnasium nachdenken.“

An der St.-Anna-Schule stehen ebenso alle Zeichen auf eine Rückkehr zu G9. Wobei die Entscheidung, wie an den meisten Schulen, noch aussteht. Direktor Benedikt Stratmann kann aber schon heute sagen: „Der Rückkehr zu G9 wird ein Segen sein.“ Auch er glaubt, dass den Schülern zu wenig Zeit zum Reifen gelassen wurde, zu wenig Zeit, sich zu einem erwachsenen Menschen auszubilden. „Wenn man am Gras zieht, wächst es nicht schneller“, sagt der Pädagoge, der G9 für einen „sehr guten Weg“ hält.

Hans-Werner Jahn, Direktor am Gymnasium Am Kothen, spricht sich als einer der wenigen für G8 an seiner Schule aus. Er fürchtet vor allem die Nachwirkungen der Kurskorrektur. „Das wird mit 100 prozentiger Sicherheit wieder Stolpersteine für uns bedeuten“, sagt Jahn. Nach der schwierigen Übergangsphase, sei man nun gut eingestellt. „Wir waren mit G8 zufrieden. Das hat bei uns an der Schule gut geklappt.“ Auch die Schüler seien sicherlich nicht über die Maßen hinaus belastet worden. Dass die Betroffenen und ihre Eltern das teilweise anders sehen, weiß er. Und so hält er es nicht für unmöglich, dass auch am Gymnasium Am Kothen die Rückkehr zu G9 kommen wird. Vor Dezember gebe es jedoch noch gar nicht die volle Diskussionsgrundlage. „Wir werden erstmal abwarten müssen, was in Düsseldorf passiert.“

Christiane Genschel, Schulleiterin des Ganztagsgymnasiums Johannes Rau, sagt: „Die Vorteile von G9 überwiegen.“ Sie glaubt nicht, dass an ihrer Schule noch einmal G8 eine Mehrheit erhalten wird. Das System habe „gewisse Schwachstellen“ gehabt. Etwa die Tatsache, dass Schüler, die vor der Oberstufe das Gymnasium verlassen, nicht einmal mehr einen Realschulabschluss in der Tasche hatten. Schließlich wird die Mittlere Reife deutschlandweit nach einer Vereinbarung der deutschen Kultusminister von 1993 erst nach Klasse 10 vergeben.

Zudem gibt Genschel auch eine Entwicklung zu bedenken, die den Turbo-Sprint durch die Grundbildung noch weiter beschleunigte: Kinder werden immer früher eingeschult. „Heute kommen junge Menschen an die Unis, die ohne ihre Eltern nicht einmal einen Mietvertrag unterschreiben dürfen.“

Noch kein Urteil wollte Kai Hermann fällen, der erst seit zwei Monaten Schulleiter am Gymnasium Vohwinkel ist und die Entscheidung der Schulkonferenz nicht beeinflussen will. Allerdings glaubt auch er, „dass G9 eine Entspannung bedeutet“. Am Gymnasium Sedanstraße ist ebenso noch alles offen. Nach WZ-Informationen ist hier aber eine Abkehr vom Turbo-Abi ein wahrscheinliches Szenario.

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