Rittberger im Hinterhof

Kolumnist Uwe Becker hatte immer schon ein Herz für den Wintersport.

Rittberger im Hinterhof
Foto: Joachim Schmitz

Wenn am Freitag die Olympischen Winterspiele im südkoreanischen Pyeongchang feierlich eröffnet werden, sitze ich für die nächsten zwei Wochen nur noch vor dem Fernseher. Ich liebe Wintersport! Wuppertaler kommen ja bekanntlich schon mit einem Regenschirm zur Welt, bei mir war es allerdings ein Schlitten. In den ersten fünf Lebensjahren zog mich damit meine liebe Mama an jedem kalten Wintertag durch die Barmer Anlagen.

Als ich älter wurde, kraxelten meine Freunde und ich auf die höchsten Hügel des Tals, und wir stürzten uns mit unseren Rodelschlitten ohne Rücksicht auf Leib und Leben die steilen Pisten hinunter. Da brach so mancher Arm, und nicht wenige Platzwunden am Kopf mussten genäht werden. Unsere Helme hießen damals Pudelmützen — bei uns fuhr der Tod immer mit.

In der Zeit der Olympischen Winterspiele waren meine Freunde und ich besonders aktiv. Ich erinnere mich, dass wir während der Spiele 1964 in Innsbruck in unserem Hinterhof fast alle Disziplinen nachspielten. Die Ski meines Vaters waren für unseren kleinen Hof aber viel zu groß, daher sägten wir hinten und vorne ein Stück ab. Als Slalomstangen wurden die jüngeren Geschwister meiner Freunde missbraucht, die sich aber freuten, dass sie überhaupt dabei sein durften.

Für das Eishockeyfeld wurde die schneebedeckte Wiese mit dem Gartenschlauch des Hausmeisters zusätzlich gewässert. Die Sonntagsschuhe mit der glatten Ledersohle waren der perfekte Ersatz für fehlende Schlittschuhe. Eishockeyschläger wurden aus Holzresten zusammengenagelt, und der Gemüsehändler an der Ecke gab uns leere Apfelsinenkisten, die als Tore dienten.

Wir spielten jedoch ohne Torwart, nicht nur, weil die Tore so klein waren, sondern weil keiner von uns ins Tor wollte. Es gab damals in unserer Clique auch keine dicken Kinder, die man ins Tor hätte „wählen“ können.

Begrabt mein

Herz in Wuppertal

Im Gegensatz zu heute waren übergewichtige Kinder damals generell in der Minderheit. Unsere Eltern hatten viel Verständnis für unsere kleinen Olympischen Spiele in Heckinghausen. Wenn zur Abendbrotzeit ein Spiel noch nicht beendet war, wurde sogar das Hoflicht angeschaltet — wir Kids hatten dann ein tolles Flutlicht-Ambiente, und unsere Väter und Mütter konnten vom Fenster aus die letzten Sekunden von „Kanada“ gegen „Schweden“ miterleben.

Die Eisfläche nutzte ich aber auch, um mit der kleinen Tochter unserer Nachbarn Elemente aus der Kür von Marika Kilius und Hans-Jürgen Bäumler nachzustellen, die 1964 in Innsbruck die Silbermedaille gewannen. Die athletischen und anspruchsvollen Hebefiguren mit der leichtgewichtigen Dagmar versetzten die anderen Nachbarskinder oft in Erstaunen. Da wurde dann auch schon mal applaudiert, wenn wir die „Todesspirale“ vorführten.

Meine Spezialität waren aber die Sprünge: Toeloop, Salchow, Lutz, Flip und Rittberger. Natürlich bauten wir an manchen Tagen auch einfach nur einen Schneemann. Was wir damals alles ohne Smartphone für einen Spaß hatten, können die Kinder heute kaum nachvollziehen. Ich finde es im Nachhinein aber etwas schade, dass Biathlon zu dieser Zeit noch keine olympische Disziplin war. Der bissige Dackel der alten Frau Kiese hätte uns vortrefflich als Zielscheibe dienen können.

“ Am Montag hat Uwe Becker seine Ausstellung bei der VHS eröffnet. Mehr dazu lesen Sie auf S. 23

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